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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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gefördert und unterstützt wurde; selbst in Wien feierte man das Fest drei Tage lang und in Baiern wurde jede protestantische Gemeinde von den Behörden besonders dazu aufgefordert. –
    Hand in Hand mit dieser kirchlichen Toleranz entfaltete sich denn auch jetzt in Süddeutschland mehr und mehr ein wackrer politischer Geist, und es zeigte sich die seltsame Erscheinung, wie viel tiefer die Ideen und Wünsche der Zeit im Süden eingedrungen waren und den Sinn der Nation bewegten, als im Norden. Am meisten zurück in dieser Hinsicht erwies sich die Bevölkerung in Preußen und Oestreich. Also dort Stillstand, während hier Bewegung sich offenbarte, wozu merkwürdigerweise die Eifersucht auf Preußen etwas beitrug. Die süddeutschen Staaten, namentlich Baiern, zeigten sich im Gegensatz zu dessen Zaudern eifrig bereit, Verträge mit ihren Unterthanen abzuschließen, trotz der directen Gegenströmung, die von Wien ausging.
    So gab das Jahr 1818 denn auch
Baiern
und
Baden
Verfassungen mit einem Zweikammersystem, welche die Abgeordneten mit Rechten ausstatteten, die ein gesundes und reelles Verfassungsleben verbürgten. In Nassau geschah bald ein Gleiches und selbst in Sachsen begann sich ein freier und selbstständigerer Geist zu regen. Mit besonderem Interesse aber blickte man auf
Baden
, wo unter der Anführung von
Rotteck
, dem bekannten Geschichtschreiber, eine Reihe von redegewandten und einen für jene Zeit ungewöhnlichen politischen Scharfblick verrathenden Männern, auftraten. – Unter solchen Verhältnissen wurde im Herbst 1818 der
Congreß zu Aachen
eröffnet, gemäß dem Versprechen, welches sich die vier Großmächte bei dem Abschlusse der heiligen Allianz gegeben hatten, von Zeit zu Zeit zusammenzutreffen und die öffentlichen Angelegenheiten zu berathen.
    Es handelte sich jetzt vorerst nur um die Zurückziehung der Besatzungstruppen aus Frankreich, was die französische Regierung dringend verlangte. In Anbetracht der Ruhe und Ordnung, deren sich Frankreich erfreute, wurde denn auch diesem Verlangen Folge geleistet, und ebenso die Zahlungsfrist für die französische Contribution verlängert. Dann wurde Frankreich feierlichst eingeladen, der
heiligen Allianz
beizutreten, und nachdem dies geschehen, vereinten sich die fünf Großmächte zu einem System, nach dessem Wortlaut sie ihre Interessen für
solidarisch
erklärten, sich auf's Neue ihrer gegenseitigen friedlichen Gesinnungen versicherten und zu einem gemeinschaftlichen Handeln, in Allem was das Staatswohl und was damit zusammenhing betraf, verbanden. Durch öftere Zusammenkünfte oder
Congresse
sollten stets alle wichtigen
inneren
und
äußeren
Angelegenheiten geordnet werden.
    Es datirt von da an eine
neue Art des Völkerrechts
, eine Epoche des Friedens, die zuletzt einen Krieg fast undenkbar erscheinen ließ, aber auch eine
gemeinsame
Opposition der Gesammtmacht Europas gegen alle freiheitlichen Bestrebungen der Völker. Zwar tadelte jetzt auch Kaiser Alexander die Saumseligkeit Preußens, sich an die Spitze der liberalen Bewegung zu stellen und sich von den süddeutschen Staaten, bezüglich der Verleihung von Verfassungen, überholen zu lassen, aber es war wohl nicht sehr ernstlich gemeint. – Mit tiefem Schmerz sah Stein, den Alexander auch nach Aachen berufen hatte, welche klägliche Rolle Preußen auf diesem Congresse spielte, wie die fremden Diplomaten ungescheut von ihm sagten: »Preußen zählt nicht mit, es wird für nichts geachtet, es hat keine Regierung; der Kanzler, Fürst Hardenberg, ist gänzlich abgenutzt u.s.w.«
    So war es leider in der That, und über diesen eitlen, charakterlosen und selbstsüchtigen Minister hinaus erhob sich jetzt schon die reactionäre Partei, mit dem Fürsten Wittgenstein und Herrn von Kamptz an der Spitze, die bald vollständig triumphiren sollte und der jeder Gedanke an eine Verfassung unausstehlich war. –
    Auch Kaiser Alexander's Aufrichtigkeit erscheint hier wieder in sehr fragwürdiger Gestalt, denn er producirte auf dem Aachner Congreß die bekannte Schrift eines Russen, Namens
Stourdza
, die in Paris und zwar zugleich in mehreren Sprachen erschienen war. Dieses schlechte Machwerk stellte eine Revolution in Deutschland in Aussicht, die Gründe dafür herholend aus der
Wartburgfeier
, der
Steuerverweigerung
in Würtemberg und der massenhaften Auswanderung, die in der That stattfand, aber einestheils durch die große Noth und Theuerung jener Jahre, anderntheils durch den Druck der bäuerlichen

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