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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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gesehen, mir graut vor neuen Erschütterungen! –
    Dies war das leichtsinnige Vorspiel der dreitägigen Julirevolution, und Niemand kann sagen, wer dieselbe eigentlich geleitet und geführt hat. Wie ein Naturereigniß, so pflanzte sie sich fort von Straße zu Straße, von Quartier zu Quartier, bis ganz Paris eine Festung von Barrikaden bildete, und nicht weniger rasch theilte sich die Stimmung der Hauptstadt ganz Frankreich mit, selbst die Vendée, die letzte Hoffnung Karl's und seiner Getreuen, rührte sich nicht für ihn. Die Ordonanzen hatten dem französischen Volke, das innerlich, wie wir gehört, zum Widerstand genügend vorbereitet war, zu tief in's Herz geschnitten. Zwischen dem Louvre und den Tuilerien verschanzt stand Marmont mit der Garde, im Hause des Bankier Lafitte versammelten und beriethen sich die Abgeordneten, auf den Straßen begann der Kampf. Die Insurgenten schossen mit Allem, was sie gerade zur Hand hatten, mit Knöpfen, Marmorkügelchen, bleiernen Lettern, bis dann nach und nach auch die Waffenläden geplündert wurden, und man in den Besitz von Munition kam. Zu Anfang hieß es nur noch: »Nieder mit den Ministern!« aber nachdem ein Zufall die Zerstörung eines Aushängeschildes, das die Lilien trug, veranlaßt hatte, wurden diese plötzlich überall abgerissen, zerstört, und unter den Rufen: »Nieder mit den Bourbonen!« das Banner des jungen Frankreich, die Tricolore wieder neu entfaltet, um ihr seitdem nicht wieder untreu zu werden.
    So wuchs und verstärkte sich der Aufstand von Stunde zu Stunde – Soldaten von der Linie fraternisirten mit dem kämpfenden Volke, denen sich bald die Studenten, die Polytechniker und andere junge Männer der höheren Stände angeschlossen hatten. Unbeweglich stand Marmont in seiner sichern Position, man wagte es nicht, mit den Truppen in das Gewirre der engen Straßen einzudringen und dort zu kämpfen.
    Karl befand sich unterdessen in St. Cloud; Verhandlungen, die mit ihm gepflogen wurden, führten zu nichts, und muthig und entschlossen den Kampf aufzunehmen, zeigte sich nur die Herzogin von Berry. Endlich wurde Polignac wieder entlassen, und ein neuer Minister ernannt, aber als diese Botschaft nach Paris kam, waren der Louvre und die Tuilerien bereits vom Volke genommen, die Schweizer zogen sich zurück und selbst die Garde wankte. So vereinigte sich Alles das Königthum zu stürzen, selbst die Haltung des Volkes trug dazu bei, denn wenige Excesse abgerechnet, die sich vornehmlich gegen den Klerus und dessen Besitzthümer richteten, kehrten die Kämpfer bald wieder zu ihren bürgerlichen Beschäftigungen zurück, und nur vereinzelt kamen Diebstahl und Plünderung vor, dagegen aber Züge der Ehrlichkeit und der Großmuth in Menge. – Am 30. Juli bildete sich eine provisorische Regierung, deren hervorragendste Mitglieder der Bankier Lafitte, Odilon Barot und Casimir Perrier waren; Lafayette stellte sich wieder an die Spitze der Nationalgarde. Noch ein letztes mal versuchte man mit König Karl zu unterhandeln, aber es war jetzt mit allen Zugeständnissen zu spät. Lauter und lauter erhob sich der Ruf: »Keine Bourbonen mehr!« in den sich auch die Abneigung des Volkes gegen die Orléans mischte; aber die Gelehrten, die Geschichtschreiber, die einen sehr einflußreichen Theil der Presse beherrschten, dachten in dieser Beziehung anders. Thiers entwarf eine Proclamation, die alle Vorzüge des Herzogs hervorhob, wie er niemals gegen Frankreich gekämpft, wie er immer die dreifarbige Fahne anerkannt habe, und wie er ohne Zweifel seine neue Würde gerne aus den Händen des Volkes entgegennehmen, sie als dessen Geschenk betrachten werde. Nachdem man die Gemüther in dieser Weise vorbereitet, begab sich Thiers nach Neuilly, wo er jedoch Louis Philipp nicht vorfand, da dieser sich klugerweise irgenwo versteckt hielt. Seine Gemahlin trat dem kleinen Staatsmann ängstlich und unentschlossen entgegen, um so hochherziger erklärte die Schwester des Herzogs, Prinzessin Adelaide, sie wolle ihren Bruder dazu zu bestimmen suchen, die Wahl des Volkes anzunehmen, und mit ihm jede Gefahr theilen, die ihm etwa daraus erwachsen könne.
    Man wollte, um die große Parthei der Republikaner nicht zu verletzen, den Herzog nicht ohne Weiteres zum Könige, sondern nur einstweilen zum General-Lieutnant der Republik erheben, bis er ohne Gefahr den Thron besteigen durfte. Alles hing jetzt an zwei Dingen, an Lafayette, welcher als Anführer der Nationalgarde die ganze Lage beherrschte, und

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