Deutsche Geschichte Von 1815-1870
denn doch immer noch, trotz seiner damaligen ungünstigen inneren Verhältnisse ein Hort der Freiheit, ein Vorbild wirklichen coustitutionellen Lebens. Nach jenen geheimen Verabredungen sollte Frankreich das linke Rheinufer bekommen, Hannover wollte man England entreißen, um es zwischen Oestreich und Preußen zu theilen, Rußland aber sollte Besitz von den Dardanellen nehmen und damit die Herrschaft über das schwarze Meer gewinnen. Alle derartigen Pläne waren nun zertrümmert, auch sollte der französische Aufschwung noch
direkt
einer Reihe von Nachbar-Staaten zu Gute kommen.
Die allernächste Folge der Julirevolution war die Lösung des unnatürlichen Bandes, durch welches der Wiener Congreß das
französisch-katholische Belgien
und das
germanisch-protestantische Holland
aneinandergekettet hatte. – Im ersten Augenblicke der Veränderungen in Frankreich war es zweifelhaft, wie die Kabinette sie aufnehmen würden, und in der That erwachten in Petersburg und Berlin, in Wien wie in London und im Haag, augenblicklich Gelüste, eine bewaffnete Intervention, gleich denen in Spanien und Neapel, vorzunehmen und Karl auf seinem erschütterten Throne wieder festzusetzen. Die Wiederanerkennung königlicher Gewalt, die Ruhe und Sicherheit in Frankreich, ließ solche Gedanken wieder aufgeben und Louis Philipp sah sich bald als neuer Herrscher allgemein anerkannt. So folgte der Erschütterung eine scheinbare Ruhe, bis gegen den Herbst in Brüssel die ersten Blitze aufloderten, welche den entschlossenen Widerstand eines
zweiten
Volkes gegen sein Oberhaupt verriethen. In halsstarriger Verblendung, lebhaft an das Gebahren Karl's erinnernd, hatte Wilhelm I., König der Niederlande und sein Minister
van Maan
en die gerechten Wünsche der Belgier mißachtet Sie sollten Holländer werden, und sie sahen sich dadurch in ihren langjährigen Rechten bedroht, sie glaubten gleichzeitig ihre Religion gefährdet, und die Spannung zwischen beiden Partheien war bereits so weit gediehen, daß gleich nach den französischen Julitagen warnende Stimmen aus Belgien ähnliche Ereignisse für dort vorher verkündeten. Die belgischen Patrioten hatten damals im Sinne, ihre Provinzen im äußersten Falle mit Frankreich zu vereinigen, aber Frankreich fühlte sich wenig geneigt, dies Geschenk anzunehmen, welches ihm die Feindschaft der übrigen Mächte würde eingetragen haben. Nichtsdestoweniger wurde ein Aufstand vorbereitet, der sich denn auch am 25. August 1830 entlud. Feste, für den Geburtstag des Königs angeordnet, boten den äußeren Anlaß dazu und man war sogar so kühn, durch Anschläge ein förmliches Programm des Aufstandes vorher zu verkünden: Montag, Feuerwerk! Dienstag, Beleuchtung! Mittwoch, Revolution! Eine Aufführung der Stummen von Portici erhitzte die Gemüther noch mehr; aus dem Opernhaus ergoß sich eine tumultuarische Menge, von einem Pöbelexceß zu einem wirklichen Aufstande aller Klassen übergehend. Im Verlaufe desselben brach sich plötzlich der Gedanke Bahn, nicht ferner um Frankreichs Liebe zu werben, sondern sich als ein selbstständiger Staat zu constituiren. Binnen zwei Monaten, wo die Ereignisse sich mit Blitzesschnelle folgten, sehen wir denn auch wirklich diese Wünsche erfüllt, nachdem friedliche Verhandlungen mit dem Könige und seinen Söhnen zu nichts geführt hatten. Schon gleich zu Anfang der Bewegung bot man dem Prinzen v. Oranien die Krone an, aber er »wollte nicht das Diadem von der Stirne seines Vaters reißen.« – Der Zug des Prinzen Friedrich nach Brüssel, der Widerstand, den er dort fand, indem die ganze Stadt sich gegen ihn und die belagernden Truppen erhob, so daß er nach mehreren Tagen vergeblichen Kampfes nicht einmal durch das Bombardement eines Theiles der Stadt den Sieg erringen konnte, sondern sich zurückziehen mußte – vollendete den Bruch zwischen den niederländischen Provinzen. Ueber dem gemeinsamen Grabe der belgischen Opfer dieses Kampfes, das man ihnen auf dem nach ihnen genannten Märtyrerplatze in Brüssel bereitete, erhob sich der Ruf nach der
Nationalität
und
Unabhängigkeit
Belgiens. Das ganze Land im Aufruhr, blieb den Holländern zuletzt nur noch die Citadelle von Antwerpen übrig, von der aus General
Chassé
die Stadt beschoß. Der Schaden, den man anrichtete, war nicht so groß, als die Erbitterung, welche dadurch in den Gemüthern erzeugt wurde; durch das ganze Land sprach es die öffentliche Stimme laut aus: ein Blutstrom trenne nun Belgien für immer von Holland
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