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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Trennung der Niederlande. Verfassungsreform in England. Die Revolutionen der Schweiz. Die norddeutschen Mittel- und Kleinstaaten erhalten Verfassungen. Braunschweig und Hessen-Cassel. Deutschland's Hoffnungen auf Preußen. Reaction in diesem Staate
     
    Die
Julirevolution
sollte in ihrem raschen und erfolgreichen Verlaufe es glänzend beweisen, wie künstlich die Ruhe war, welche die Mächte der heiligen Allianz über Europa auszubreiten sich bestrebt hatten. Ein Funke, der in ein Pulverfaß fliegt, kann keine größere Wirkung hervorbringen, als die Pariser Ereignisse es thaten. Alle die niedergetretenen Hoffnungen des Liberalismus, des Nationalgefühls, belebten sich auf's Neue, und ein jubelndes Frohlocken der öffentlichen Meinung begrüßte die Nachrichten aus Frankreich, alle Welt, mit wenigen Ausnahman, in ein Fieber des Entzückens versetzend. Was dieses Juliereigniß aber ganz besonders eindrucksvoll machte, das war sein würdiger Verlauf, denn alles Blut was vergossen wurde, floß in ehrlichem Kampfe für Freiheit und Recht. –
    Die schreckensbleiche und blutige Gestalt der Revolution verlor ihr Entsetzen, sie wandelte sich in die strahlende Gestalt der Freiheitsgöttin um, und das Blut, welches in ihrem Dienste geflossen war, wurde als das Morgenroth einer besseren, schöneren Zukunft gedeutet. Man sah, daß große Umwälzungen sich vollziehen konnten, ohne Unmenschlichkeit und Grausamkeit, wozu allerdings eine Uebereinstimmung der Partheien beitrug, wie sie selten sich findet, und wie sie sich hier in dem allgemeinen Hasse gegen das Bourbonenthum kundgab. Die weitere Entwicklung der französischen Geschichte hat uns jedoch leider darüber belehrt, wie das damalige Stillestehen der Franzosen, und zwar ein Stillestehen im Augenblicke, da sie wirklich große, thatkräftige und geniale Männer besaßen, den späteren Ruin des Landes vorbereiten half. Der Thron des Bürgerkönigs verstopfte den Krater der Revolution auf die nächsten 18 Jahre hinaus, und er hätte es auch vielleicht für immer vermocht, wenn Louis Philipp der richtige König für Frankreich gewesen wäre. Eine hohe, edle Natur, mit den wirklichen Gaben eines Herrschers ausgestattet, konnte damals in Europa der Wiedererwecker der zertretenen Freiheit werden, er konnte Frankreich im schönsten Sinne des Wortes an die Spitze der Civilisation stellen, und die Völker, die ihm damals zujauchzten, aus dem Banne des Absolutismus befreien, er konnte das Metternich'sche System auf immer vernichten. Der Bürgerkönig zog es vor, sich in das Schlepptau seiner gekrönten Vettern nehmen zu lassen, in die Fußtapfen von deren Politik zu treten, und anstatt sich zu ihnen in Widerspruch zu setzen, verläugnete er die Mutter, die ihn auf den Thron erhoben hatte. Seiner nüchternen Natur entsprechend, sehen wir ihn sich bürgerlich, gemächlich auf demselben einrichten und durch den Gegensatz, den dieses Bild mit dem Gebahren der vorigen Regierungen darbot, eine Weile selbst die Franzosen täuschen. Neben diesen bürgerlichen Tugenden, pflegte er leider einen Geiz und eine Habsucht, welche durch und durch unköniglich genannt werden, und Jedermann verletzen mußte. Er war der beste Spekulant, der beste Börsenmann Frankreichs, um seiner zahlreichen Familie Millionen auf Millionen zusammen zu scharren, wobei seine eigenen Interessen gewöhnlich denen des Landes vorangingen. So enthüllten sich schon in den ersten Jahren seiner Regierung jene Mängel und Fehler, die endlich auch ihn nach achtzehnjähriger Herrschaft, in ein zweites Exil führen sollten, und furchtbar rächte sich an ihm und an Frankreich, zuerst durch die Februarrevolution von 1848, dann durch das zweite Kaiserreich, und endlich durch die Gräuel der Commune, die Versäumniß einer gründlichen Staatsreform und einer Inbetrachtnahme der socialen Verhältnisse.
    Ganz ebenso aber wie Frankreich auf halbem Wege stehen blieb, so erschütterte seine Revolution auch das bestehende politische System nur zur Hälfte, ja sie stärkte, sobald die nächste Gefahr vorüber war, im Gegentheil wieder die Reaction in Deutschland und in Rußland, in fast unerträglicher Weise. Jedenfalls aber war Europa einer großen Gefahr durch die Juliereignisse entgangen, denn glaubwürdige Berichte behaupten, daß die Annäherung, die, wie ich schon früher erwähnt, zwischen Rußland und Frankreich stattgefunden hatte, bis zu der Verabredung gediehen sei, England vollständig zu stürzen – denn England war und blieb

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