Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
Vom Netzwerk:
beiwohnte, sprach er in einem Toaste auf die Republik die Ueberzeugung aus, daß derselbe Trinkspruch in 50 Jahren dem befreiten Europa gelten werde. –
    Nun wieder in Frankreich weilend, war er gerade in jenen bewegten Tagen auf einer Reise nach seinem Geburtsorte begriffen, als man den Ministerwechsel erfuhr; allsogleich sah er sich neuerdings auf den Schild gehoben und sprach er die alten Schlagworte von 1792 aus. – Schnell bildeten sich nun überall in Frankreich Gesellschaften, um diejenigen zu unterstützen, die durch den Ausspruch der Steuerverweigerung voraussichtlich zu Schaden kommen mußten, was zunächst die Abgeordneten betraf. Auch die alten »geheimen Gesellschaften« lebten wieder auf, zu denen sich neue, nach Art der Carbonaria gesellten; deren Mittelpunkt war Lafayette und selbst die früheren alten Feinde reichten ihm jetzt versöhnlich die Hand. So nahm das Verhängniß seinen Weg; immer größer wurde Karl's Groll und Haß gegen ein constitutionelles Regiment und seine Furcht vor einer Revolution, die er sich, im Falle seiner Nachgiebigkeit, vorspiegelte. Seine Umgebung nährte diese Angst; es hieß, wie ein Zeitgenosse erzählt, »dem Könige den Hof machen, wenn man ihm den Thron in Gefahr, die Verschwörung offenbar, die Revolution bevorstehend zeigte.« – Es war umsonst, daß man hoffte, durch die Expedition gegen den Dey von Algier und die Eroberung des Räubernestes, der die Verjagung des Seeräubers folgte, das Heer wieder günstiger zu stimmen, und die Erinnerung an die alte gloire auffrischen zu können.
    So groß war bereits die gegenseitige Feindseligkeit angewachsen, daß die Herzogin von Angoulême bei der Neujahrsgratulation von 1830 der Magistratur und deren Präsidenten, der sie anreden wollte, mit dem Fächer ein »Passez!« zuzuwinken wagte. Der König sprach in so hartem trocknem Tone mit den Räthen, daß einer der Richter seinem Collegen zuflüsterte: »Sie wollen fallen, sie wollen unfehlbar fallen!«
    Am 2. März 1830 eröffnete der König unter großer Prachtentfaltung die Kammern; in dunklen Worten sprach er am Ende der Thronrede den Entschluß aus, daß er gegen strafbare Umtriebe, die seiner Regierung Hindernisse bereiten würden, die Kraft zur Ueberwindung finden werde! Sichtlich erregt, mit erhöhter Stimme brachte er diese letzten Worte hervor, seiner bebenden Hand entfiel der Hut, den der Herzog von Orléans aufhob und ihm dann wieder überreichte. Man bemerkte allgemein diesen Vorgang als ein Omen, um so bedeutungsvoller, als der Herzog auf's Neue die Blicke und Wünsche derjenigen auf sich zog, die eine constitutionelle Monarchie und keine Republik wollten. Wir haben diesen Herzog bereits kennen gelernt, wir erinnern uns, wie seine Erzieherin, die berühmte Frau von Genlis ihm und seiner Schwester Adelaide honette bürgerliche Tugenden anerzog, die damals noch so selten bei Fürsten zu finden waren: »Er sei das beste von ihren Werken«, so äußerte sich einst ein geistvoller Mann über Louis Philipp und seine Erzieherin; er lebte jetzt, seit der Restauration, in friedvoller Zurückgezogenheit auf seinem Schlosse zu Neuilly, im Kreise seiner zahlreichen Familie, der er ein vortrefflicher Vater war, und zugleich das Muster eines Gatten und eines Bruders. Unzertrennlich von ihm war seine Schwester Adele; von männlichem Geiste, ihm durchaus überlegen an entschlossenem Muthe, blieb sie bis zum letzten Athemzuge die beste, zuverlässigste Freundin und Rathgeberin eines Bruders, mit dem sie eine harte Schule des Lebens getheilt hatte. – So stieg der Stern der Orléans hell und heller empor, während der 20. Juli des Jahres 1830 endlich die Pläne der Reaction enthüllte; im Moniteur erschienen die drei berühmten Ordonanzen, welche die
Preßfreiheit
suspendirten,
die neue Kammer auflösten, und die Wahlordnung, für eine neu zu wählende Kammer, willkührlich abänderte
. Mit einer unglaublichen Frivolität wurden diese Beschlüsse gefaßt und ausgeführt, man dachte kaum an einen Widerstand, und traf keinerlei Vorbereitungen, um einen solchen im Nothfall zu brechen. Karl X. unterzeichnete die Beschlüsse, welche die Charte zerrissen, nachdem er sich noch einen Augenblick besonnen, und der Dauphin schweigend seine Zustimmung zugenickt hatte. Als der Justizminister das verhängnißvolle Blatt dem Redacteur des Moniteur übergab, bebte dieser zusammen, »Gott erhalte den König und Frankreich!« sagte er erschrocken, »ich habe alle Kampftage der Revolution

Weitere Kostenlose Bücher