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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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an der Entschlossenheit des Herzogs, der jetzt endlich, nachdem er erst noch Talleyrand um Rath gefragt, und eine förmliche Einladung der Kammer erhalten hatte, nach Paris gekommen war, und sich im Palais Royal aufhielt. Es war keine Zeit zu verlieren, mit jeder Minute stieg der Einfluß und die Macht der republikanischen Parthei, obgleich Odilon-Barrot sie durch das geflügelte Wort zurückzuhalten suchte:
    »Der Herzog von Orléans sei die beste der Republiken!« Wollten die Gemäßigten die Oberhand behalten, so mußten sie rasch handeln. Während sich Karl von St. Cloud in halber Flucht nach Versailles zurückzog, eine Nachricht, die man in Paris mit lautem Hohne aufnahm, hatte Ludwig Philipp einer Deputation von Abgeordneten, an deren Spitze sich Lafitte befand, erklärt, daß er die Principien, welche die Wortführer ausstellten, als die Seinigen anerkenne, und bereit sei, als ein guter Familienvater mit ihnen für das Wohl Frankreichs zu arbeiten. Darauf begab er sich mit den Abgeordneten nach dem Stadthause, den Gefahren trotzend, die ihn auf diesem Wege umgaben. Ohne den Schutz einer bewaffneten Macht, ohne königlichen Prunk, ritt der Herzog, die dreifarbige Cocarde am Hut, durch die Straßen; ihm voran gingen ein Trommler und die Bediensteten der Kammer, neben ihm ritt sein Adjutant, und hinter ihm her kamen zu Fuße die Abgeordneten; Lafitte, der sich den Fuß verletzt hatte, wurde in einer Sänfte getragen. Immer dichter zogen sich die Massen zusammen, immer feindseliger wurden die Blicke, je weiter man in das Gewirre der Straßen eindrang, Rufe gegen die Bourbonen trafen des erbleichenden Fürsten Ohr, der einen schweren Königsritt, wo jeder weitere Schritt ihm den Tod bringen konnte, durchzumachen hatte. Auf dem Rathhause befand sich Lafayette, es kam Alles darauf an, ob er den Herzog einlassen werde oder nicht, aber er empfing ihn an der Treppe, und geleitete ihn in einen der Säle, wo eine dichte Menge sie umringte. Ein junger Mann nahm die schriftliche Erklärung der Abgeordneten, die sich für Louis Philipp aussprach, in die Hand und las sie laut vor; der Herzog fügte einige Worte hinzu, und als sich im Augenblick darnach feindselige Stimmen gegen ihn erhoben, denen er ruhig erwiderte, drückte ihm Lafayette mit raschem Entschluß eine dreifarbige Fahne in die Hand, zog ihn an ein Fenster und umarmte ihn feurig, während die Fahne über ihnen emporflatterte. Dieser Moment war zu schön und ausdrucksvoll, um die Franzosen nicht zu entzücken, lauter Jubel brach sich Bahn und die Dynastie Orléans war vom Volke begnadigt, die Königskrone, die Karl X. verspielt hatte, sank auf ihr Haupt.
    Die Lage Karls X. war unterdeß in Versailles so unsicher geworden, daß er seine Flucht bis Rambouillet fortsetzte, wo man von Allem entblößt, der König weinend und schluchzend, mit Staub bedeckt, am Abend ankam; noch hoffte er, die Krone seinem zehnjährigen Enkel, dem Grafen Chambord, zu erhalten, unter der Generallieutnantschaft des Herzogs von Orléans, aber Frankreich wollte von dem »Wunderkind« damals so wenig wissen, wie heute. Der gestürzte König fügte sich endlich den Vorstellungen, die man ihm machte, und beschloß, sich nach England zurückzuziehen; man wollte keine Rache an ihm nehmen, ihm kein Leids zufügen, aber es war hohe Zeit, daß er ging. Ruhig ließ ihn das französische Volk ein neues Exil jenseits des Kanales aufsuchen, aus dem ihm keine zweite Rückkehr nach Frankreich zu Theil ward. Er starb zu Frohsdorf in der Verbannung, der Gegenwart ein Beispiel und eine Lehre bietend, das man trotzdem nicht begreifen wollte. – Schon am 7. August folgte ihm Louis Philipp auf den Thron, nachdem man in der Kammer in großer Eile die Verfassung nach den Wünschen der Mehrheit umgestaltet hatte. Fast einstimmig war der Herzog von Orléans zum Könige gewählt worden; als ihm nun im Palais Royal Lafitte, an der Spitze der Deputirten, den Willen der Nation kund gab, und sich der Herzog ihm als Zeichen der Annahme in die Arme warf, erscholl wiederum ein lauter Ruf des Enthusiasmus, der sich noch steigerte, da jetzt Louis Philipp und Lafayette auf dem Balcon erschienen, und der alte Königsbeherrscher seinem Schützling zurief: »Sie sind der Fürst, wie wir ihn bedurften!«
    Damit brach glorreich und rasch die Zeit des Bürgerkönigthums über Frankreich an, um 18 Jahre später noch schneller wieder zu erlöschen.
     
Neunte Vorlesung
     
    Einfluß der Julirevolution auf das übrige Europa.

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