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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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und dessem Herrscherhaus! Auch der Prinz von Oranien, dem man jetzt noch wenigstens die belgische Regierung zu erhalten hoffte, wurde davon ausgeschlossen und darnach auf dem Congresse zu London, der im Oktober die belgische Frage berieth, die ewige Ausschließung des Hauses Oranien-Nassau vom belgischen Throne ausgesprochen. Die bedrängten Mächte wählten hier von zwei Uebeln das Kleinste; Belgien als selbstständige Monarchie konnte man noch gelten lassen, aber es war damit zugleich eine gefährliche Anerkennung des Nationalitäts- und Selbstbestimmungsrechtes der Völker ausgesprochen. Die Belgier schufen sich jetzt eine Verfassung und eine Regierungsform, wie sie schon den gemäßigten Franzosen um 1792 vorgeschwebt hatte – eine
Erbmonarchie
mit republikanischen Einrichtungen. Kühn und gefahrvoll wie dieses Wagniß damals erschien, haben die
Belgier
doch ihre
Verfassung
zu einer Wahrheit gemacht, und sich durch dieselbe nicht allein ein eigenes, nationales Leben begründet, sondern auch in dieser Verfassung Europa ein Vorbild für alle künftig zu Erstrebenden gegeben. – In hohem Grade anziehend ist die nähere Geschichte dieser belgischen Revolution, durch welche ein kleines Volk, das Jahrhunderte lang unter dem Sclavenjoche geseufzt, sich neu erhob. Es war ein großes Beispiel für Andere und nicht zum wenigsten für Holland selbst, welches seitdem mit Belgien, trotz der Eifersucht, die man darüber empfand, gewetteifert in der Ausbildung bürgerlicher Freiheiten. Ja, Holland hat dieselben, weil unbeengt durch einen mächtigen Clerus, fast noch intensiver entwickelt, und darf denselben Anspruch erheben, wie das Nachbarland, eine Republik mit einer königlichen Spitze genannt zu werden. Daß Belgien seinen ersten und trefflichen König in Leopold von Coburg fand, dessen Sohn jetzt nach ihm die Krone trägt, ist Ihnen ohne Zweifel bekannt. –
    Ein noch lehrreicheres Beispiel der Geschichte boten die Veränderungen in England dar, welche gleichfalls ihre nächste Anregung durch die Julirevolution empfingen. Wie mißachtet das Inselreich durch seine Tory-Regierung und König Georg IV. geworden, habe ich bereits angedeutet, dabei war es von inneren Unruhen durchwühlt, welche theilweise durch die Einführung der Maschinen, theilweise durch die Noth und Theuerung erzeugt wurden, die sich auf den brittischen Inseln, gleichfalls als nothwendige Folge des langen Krieges geltend machten. Aber mehr noch als dieses bedrohte den Staat; tiefgesunken war in den Augen des Engländers die Königswürde, tiefgesunken die Achtung vor einer Partei, die an der Spitze der Regierung stehend, sich jeder noch so nothwendigen Reform der in vielen Theilen veralteten und unbrauchbar gewordenen englischen Verfassung, widersetzte. Am bedenklichsten waren die Zustände in dem unglücklichen Irland, wo eine durch und durch katholische Bevölkerung mit starrer Unbeweglichkeit von jeder parlamentarischen Vertretung ferngehalten wurde. Die zum Eintritt in das Parlament erforderliche Ablegung des Testeides, verhinderte damals noch jeden Katholiken einen Sitz in demselben zu gewinnen. Durch den Test- und Supremateid wurde bekanntlich der König von England als das erste und alleinige Oberhaupt der Kirche anerkannt, eine Maßregel, welche ihrer Zeit wirksam die Lostrennung von der päpstlichen Herrschaft durchgesetzt hatte. Ein Katholik jedoch konnte selbstverständlich diesen Eid nicht leisten; er war mithin vom Parlamente ausgeschlossen, und immer erbitterter äußerte sich jetzt darüber die Stimmung auf der »Smaragdinsel.« Mit Recht empörte man sich gegen eine Regierung, welche sich einer Emancipationsbill der Katholiken schroff widersetzte. Wer kennt nicht die herrlichen Poesien des irländischen Dichters
Thomas Moore
, des Freundes von Lord
Byron
, in denen er, bald hochpathetisch, bald in herbster Satyre, gleich einem zweiten Béranger, für die Freiheit, die Erlösung, das Recht seines geliebten Erin stritt, und so wie er, die glorreiche, poetische und sagenhafte Vergangenheit des grünen Eilandes neu belebend, in der tiefgedrückten Bevölkerung die edleren Gefühle des Widerstandes hervorzurufen suchte, erweckten seine Poesien zugleich die Sympathien, die Begeisterung für dasselbe in England sowohl, wie im Auslande. Zur selben Zeit nahm der irische Unmuth einen festen gemeinsamen Zielpunkt an, indem man, als äußerstes Mittel des Widerstandes, die Loslösung von England, den Widerruf,
repeal
, der Vereinigungsakte Englands

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