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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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und Irlands in Aussicht stellte. Diese Agitation, geleitet durch den vergötterten Helden der Irländer, den bekannten O Connel, spann sich auch dann noch Jahre lang fort, als endlich die zündende Kraft der französischen Julitage die nächste und erste Forderung Irlands, die der Katholikenemancipation glücklich durchgesetzt hatte.
    Kaum ein anderes Volk Europas fühlte sich so tief ergriffen und berührt von jener großen Katastrophe, als das Englische, und es war ihm vorbehalten, als Seitenstück zu der Pariser Revolution zu zeigen, wie ein Volk, das seit Jahrhunderten an constitutionelles Leben gewöhnt ist, das Ziel seiner Wünsche eben so sicher, auf dem
Wege der Reform
erreichen wird. Kaum waren die Pariser Nachrichten über den Kanal gedrungen, als sich ganz England wie ein Mann im lautesten Enthusiasmus erhob; jede Eifersucht und Feindseligkeit zwischen beiden Nationen verschwand, man fühlte sich als Brüder, als gemeinsame Freiheitskämpfer und England jubelte, Frankreich so würdig und gemessen handeln zu sehen. Die vielen Engländer, welche in Paris selbst die Julitage mit erlebt, waren überschwänglich in ihrem Lobe, wie das Volk seinen Kampf geleitet, wie es seinen Sieg benutzt habe. Man glaubte der letzte Rest keltischer Wildheit, der in der Revolution von 89 so furchtbar gewüthet, sei ausgetilgt; es wurde Mode die französischen Nationalfarben zu tragen, Adressen und Versammlungen beglückwünschten das französische Volk ob seines Sieges und die gesammte Presse war des überströmenden Lobens voll. Die natürliche Rückwirkung dieser Stimmungen brachte nun in England jene merkwürdige Parlamentsreform zu Wege, welche sich unter der Leitung von Lord, Grey im Frühjahr 1832 definitiv vollzog, und eine der glänzendsten und interessantesten Episoden der englischen Verfassungsgeschichte bildet. Das dreimalige Durchgehen der irländischen Emancipationsbill stürzte das Ministerium Wellington, den Schild und Hort der Toryparthei und ein endlicher Sieg krönte die Anstrengungen von Männern, die zur rechten Zeit eingesehen, daß die englische Verfassung schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit stand. Diese denkwürdige Reform legte den Grundstein zu der heutigen Entwicklung Englands, und bereitete den neuen Aufschwung vor, den es seitdem genommen. Als nach dem Ableben ihres Oheim's, Königs Wilhelm des IV., seine Nichte, die heutige Königin Victoria den englischen Thron bestieg, da war die Hand einer siebenzehnjährigen Jungfrau stark und sicher genug, das Ruder eines Staates zu lenken, der sich auf zeitgemäße Institutionen stützte, und kaum weniger denn Belgien, als eine Erbmonarchie, mit republikanischen Einrichtungen betrachtet werden darf. Höchst interessant ist die nähere Geschichte dieser Reformbewegung und ich möchte Ihnen darum dringend einen englischen Roman: Coningsby, empfehlen, der jene Zeit sehr eingehend behandelt, und dessen Verfasser kein Geringerer ist, als der berühmte englische Staatsmann D'
Israeli
. –
    Aber nicht die Königreiche allein, auch die Republiken sollten durch den Julibrand in Aufruhr und Bewegung versetzt werden, selbst in den Bergen der Schweiz hallte mächtig der französische Schlachtruf: liberté et égalité! wider, und erinnerte deren Bewohner daran, wie sehr ihnen die einstige Freiheit der Väter, die Gleichstellung der einzelnen Stände, war verloren gegangen. Der unselige Wiener Congreß hatte ja auch jenem Conglomerat kleiner Kantonsrepubliken die alten Zustände wieder aufgenöthigt, namentlich die Geschlechterherrschaft neu aufgebaut, und der Aristokratie das Heft wieder in die Hände gegeben, die gleich den Bourbonen, auch nur einzig und allein darnach strebten,
Veraltetes
festzuhalten und jeder Neuerung zu wehren. – Hand in Hand damit ging der lächerlichste Particularismus, bezeichnet als der
Kantönligeist
, und ächt partikularistisch, Jeder für sich allein, machte denn nun auch, noch ehe das Jahr zur Neige ging, eine Reihe von Kantonen ihre besondere Reformbewegung durch.
Elf
solcher Revolutiönchen folgten einander Schlag auf Schlag, aber ein gleiches Princip war in ihnen nicht zu verkennen, das Princip der
Volkssouveränität
.
    Hatte die Julirevolution in Frankreich wieder den dritten Stand, die Bourgeoisie, zur Herrschaft gebracht, so kamen die Schweizer Umwälzungen zugleich mit dem Bürger auch dem Bauern zu gute, der von nun an eben soviel gelten sollte wie der Edelmann, der Gelehrte und der Bürger. In allen Kantonen, wo die

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