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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Freigesinnten siegten, blieb von da an jedes
Vorrecht
, jede Ungleichheit vertilgt; die
Bauernjacke
saß neben dem Frack gleich ebenbürtig im Rathe und bei Gericht. Dieser Gleichmachung der Stände durch ihre gemeinsame Theilnahme an der Regierung, entsprachen dann auch die Gesetze und Bestimmungen, welche die Staatslasten gleichmäßig auf alle Bürger vertheilten, Gewerbefreiheit und Freizügigkeit aussprachen, und mit Ausnahme der katholischen Kantone, volle
Glaubens- und Gewissensfreiheit
gelten ließen. Zu welch schwierigen Verwickelungen diese Ausnahmsstellung der katholischen Kantone später Anlaß gab, werden wir noch hören. Den Hauptnachdruck aber legten die neuen Regierungen auf die
Ausbildung
des
Unterrichtswesens
und Sie werden ja davon gehört haben, wie verhältnißmäßig in keinem andern Lande Europas, soviel für die Bildung des Volkes, auch der Frauen, geschehen ist und geschieht, als in der kleinen Schweiz. Man suchte freilich dadurch die schroffen Unterschiede der Klassen möglichst auszugleichen, die sich selbst heute noch, und damals noch weit mehr, in oft unerquicklichster Weise fühlbar machten und lange Kämpfe und Verwicklungen hervorriefen. Aber gleichviel – das kleine Land hatte eine Bahn des Fortschritts und der Entwicklung betreten, die wahrhaft bewunderungswürdig genannt werden muß. Ihren Bewohnern gab sie eine politische Bildung, die selbst den Geringsten unter ihnen mündig macht, so daß die Schweiz in Wirklichkeit eine Republik mit Republikanern genannt werden kann, und der freiheitliche Aufschwung den sie seit jener Zeit genommen, hat das Land nach und nach zu solch einer hohen Durchbildung demokratischer Freiheiten geführt, zugleich auch ein so festes Einheitsband um die verschiedenen Kantone geschlungen, daß man heute mit Recht sagen kann, es stehe kaum ein anderer Staat, namentlich seit den letzten Abstimmungen über Religions- und Geistesfreiheit, auf einer höheren Stufe politischer Entwickelung.
    Bis zu diesem Punkte wollte ich Ihnen gern die Hauptwirkungen der Julirevolution auf die Nachbarländer zeigen, obgleich sie damit noch lange nicht erschöpft sind, denn auch der ganze Süden Europas erhob sich in jenen Tagen zu neuer Hoffnung. In Italien entfaltete die Carbonaria wieder ihre Thätigkeit und in dieselbe waren die Napoleoniden, welche dort ihren Hauptsitz hatten, tief verflochten. An den neuen erfolglosen Aufständen und Bewegungen betheiligten sich namentlich Königin Hortense und ihre beiden Söhne, von denen der Jüngere einst den französischen Kaiserthron neu aufbauen sollte. – Auch in Spanien loderten aller Orten neue Aufstände empor, ja bis nach Amerika hinüber flogen die Zuckungen, die Europa erschütterten – wie hätte nicht auch Deutschland in den Kreis der Revolutionen mit hinein gerissen werden sollen, wenn sich dieselben auch nicht über das Ganze erstreckten, sondern nur auf einzelne Staaten rückwirkten. – Wohl hatte sich dieseits des Rheines aller Orten eine hohe und freudige Erregung unter der Bevölkerung über die französischen Ereignisse kundgegeben; es zeigten sich auch vereinzelte Aufstände und Pöbelexcesse, die theilweise durch die Theuerung des Brodes, wie auch, namentlich in der Rheinprovinz, wo sich eine höhere Industrie zu entwickeln begann, durch die steigende Verbreitung der Maschinen, welche man als den Tod der Handarbeit betrachtete, hervorgerufen wurden. Man zerstörte Fabriken und Maschinen, machte den Bäckern und Bäckerladen den Krieg; in Berlin, Hamburg, Breslau gab es sogar ernstere Volksunruhen, aber es fehlte ihnen aller Orten an Zusammenhang, wie an innerer tieferer Begründung. Ueberall drückte den Deutschen der Schuh, und das geringe Volk schlug naturgemäß nach dem Nächsten aus, was ihm wehe that, ohne daß ihm daraus ein Nutzen erwachsen wäre. Eine ernstere Bedeutung gewannen diese Aufstände jedoch in
jener Gruppe norddeutscher Staaten
, wo die Anläufe zu Verfassungen nach dem Jahre 1815 an dem Despotismus und der Thorheit der Fürsten gescheitert waren. Es ist in hohem Grade lehrreich für den Werth eines constitutionellen Staatslebens, wenn man gerade in diesem Momente beobachtet, wie Süddeutschland bei den Erschütterungen in seiner nächsten Nähe nicht theilnahmlos, aber doch ruhig blieb, mit Ausnahme der Provinz Oberhessen. So mangelhaft auch dort noch der Constitutionalismus ertwickelt war, genügte dies Wenige dennoch, das Vertrauen auf einen gesetzlichen Fortschritt unerschüttert zu

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