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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Weise sein Land verlassen zu müssen, wie der König Frankreichs, den er vor seinen Augen hatte fliehen sehen. – Als sich Anfangs September in seiner Residenz die ersten Regungen eines Volkswillens kundgegeben, ließ er ohne Weiteres Kanonen auffahren und reizte damit die Menge nur noch mehr. Nicht allein die Gebildeten, auch, wie es ziemlich verbürgt ist, ein Theil des hohen Adels nahm gemeinschaftlich Parthei gegen einen Fürsten, der fast immer in England lebte und das Land nur als eine melkende Kuh für seine Verschwendungssucht betrachtete, ohne sich im Mindesten um dessen Bedürfnisse und Wünsche zu kümmern. Ganz direct wendete sich der Haß zuerst gegen seine eigne Person; aus dem Theater heimkehrend, wurde des Fürsten Wagen mit Steinwürfen verfolgt, und voll Wuth und Schreck ließ er sogleich alle Geldvorräthe aus der Stadt in das Schloß verbringen. Nach der Stadt aber wurde Pulver geführt und als nun eine Deputation den Herzog um Entfernung der aufgefahrenen Kanonen bat, erklärte er derselben, er werde es nicht wie Karl X. mit halben Maßregeln so weit kommen lassen, als dies in Paris der Fall gewesen. Nun brach der Aufruhr unaufhaltsam los; immer dichter schaarte sich die Menge um das Schloß, man fing an den Namenszug des Herzogs aus den Gittern loszubrechen, schon begannen Einzelne in die Fenster der Kanzlei einzusteigen, und das Militär blieb unthätig dabei stehen. Da kam plötzlich die Nachricht, der Herzog sei heimlich abgereist; so hatte seine Feigheit nicht einmal dem ersten Anpralle stille gehalten. Aber diese Nachricht dämpfte die Meuterei nicht; der commandirende General, mit derselben wahrscheinlich einverstanden, ließ sich mit Pfeifen und Steinwürfen begrüßen, ohne Abwehr zu befehlen, als mit Einemmale die rothe Lohe aus dem Schlosse emporschlug. Durch irgend eine Frevlerhand war das Schloß in Brand gesteckt worden, man fing an zu plündern, statt zu löschen, ja sogar neues Feuer wurde angelegt, bis der alte Welfensitz in Schutt und Asche lag und mit ihm fast das ganze kostbare Archiv des braunschweigisch-lüneburgischen Hauses. Die öffentliche Ueberzeugung ging dahin, daß Feinde des Herzogs aus den höheren Ständen diese ganze Katastrophe veranlaßt hätten, wofür allerdings auch die vollständige Passivität des Militärs spricht.
    Der jüngere Bruder des Herzogs, Prinz Wilhelm, wurde nun zur Regierung berufen, eine Würde, gegen die er sich anfänglich sträubte, sie aber dennoch, nachdem auch England seine Zustimmung dazu gegeben, annahm. Es mochte sich Niemand für den vertriebenen Herzog anstrengen, und selbst Metternich konnte nicht umhin diese gründliche Revolte als fait accompli anzunehmen. Herzog Wilhelm ist noch bis heute der Regent Braunschweigs, blieb aber unverheirathet und folglich ohne Thronerbe. Nach dem natürlichen Laufe der Dinge wird sein Ländchen wohl einst Preußen, oder sagen wir lieber, dem deutschen Reiche einverleibt werden. – Braunschweig trat, nach den oben geschilderten Ereignissen nun, gleichfalls, trotz eines neuen Widerstandes des Adels, in die Reihe der verfassungsmäßigen Staaten ein. –
    Herzog Karl, ebenso characterlos als tyrannisch, versuchte noch einmal das Volk durch schöne Versprechungen zu ködern, die seinem früheren System vollständig Hohn sprachen. Er wollte das stehende Heer abschaffen, wollte allgemeines Wahlrecht wie auch Schwurgerichte einführen, die ärmeren Klassen von jeder Steuer befreien u.s.w. Gleich einem prophetischen Tone vor 1848, so muthen uns diese schönen Versprechungen an, die aber den übrigen regierenden Herren in Deutschland damals noch viel weniger angenehm lauteten, als die ausgesprochene Absetzung eines legitimen Standesgenossen, bei der es sein Bewenden hatte. Ein gewaltsamer Versuch, den der Herzog Karl zuletzt noch machte, sein Land zurückzuerobern, blieb eben so erfolglos. Er warb eine Handvoll Bauern aus dem Harze an und zog mit ihnen an die braunschweigische Gränze: »Wollt Ihr nicht zu mir kommen, Jungen?« so redete er das braunschweigische Gränzpicket an, worauf ihm der Corporal antwortete: »Der Baron B. sei in Blankenburg fast zerrißen worden, den Herzog werde man ganz zerreissen!« und als darauf der Lieutenant seine Leute zum Feuern commandirte, machte sich. der Herzog schleunigst davon, um seitdem als Abentheurer die Welt zu durchirren, stets mit Plänen beschäftigt, sein Ländchen zurückzuerobern. So führte er bekanntlich stets Kisten und Kasten voll Uniformen und

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