Deutsche Geschichte
unter strengen Bedingungen vom Bann.
Kluniazensische Reform
Vielleicht wäre es zuviel gesagt, die Kirche im 9./10. Jahrhundert als verwahrlost oder auch nur als verweltlicht zu bezeichnen. Der Trend aber war mehr und mehr dahin gegangen durch Ämterkauf, Sittenverfall in den Klöstern, Habgier des Klerus, bewaffnete Konflikte zwischen geistlichen Fürsten und Machtkämpfe an der Kirchenspitze in Rom. Die Stimmen, die nach einer Läuterung und nach einer Rückbesinnung auf die eigentlichen Inhalte der Glaubens verlangten, schwollen an, und am meisten Gehör fanden die Reformäbte des Klosters Cluny bei Macon in Burgund. Sie propagierten eine stärkere Spiritualisierung der Mönchsgemeinschaften auf der Basis der Benediktinerregel, lehnten sich eng an das Papsttum an und erreichten für die bald über hundert Filialklöster eine weitgehende Unabhängigkeit von den jeweiligen Diözesanbischöfen. Diese kluniazensische Reform-Bewegung strahlte im 11. Jahrhundert auf ganz Europa aus, löste eine Welle kämpferischer Frömmigkeit aus und wurde zur Stütze der Kirche beim Konflikt mit dem Kaisertum
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Der erlöste König drehte zwar bald den Spieß um und machte aus seiner Niederlage einen momentanen Sieg, indem er Gregor aus Rom in die Verbannung vertrieb. Auf lange Sicht aber war der Sieger von Canossa das Papsttum. Im Wormser Konkordat (siehe Seite 26) kam 1122 ein Kompromiss in Sachen Investitur zustande, mit dem Reichskirchenregiment der deutschen Kaiser jedoch war es vorbei. Heinrich selbst sah sich in Deutschland weiter einer starken Opposition gegenüber, der sich zuletzt sogar sein Sohn und Nachfolger Heinrich V. (geboren 1086; regierte 1106-1125) anschloss und ihn noch zu Lebzeiten entthronte.
König Heinrich IV. in Canossa, mittelalterliche Miniatur. Der Herrscher bittet Abt Hugo von Cluny (links mit Krummstab) um Vermittlung bei Papst Gregor VII.; rechts Markgräfin Mathilde von Tuszien, die des Königs Anliegen unterstützt
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(c) Interfoto, München: S.
Räuber zu Soldaten – Der erste Kreuzzug
Die „Rückeroberung“ Jerusalems (1099)
Das vieltürmige Jerusalem in der Hand der Heiden? Das war nicht hinzunehmen. Laute Klage erhob daher Papst Urban II. auf der Synode von Clermont im Jahre 1095: „Die Türken und die Araber haben die Christen siebenmal in der Schlacht besiegt, haben eine große Anzahl von ihnen getötet, haben die Kirchen zerstört und das Land verwüstet.“ Urban meinte das Heilige Land, „die Wiege unseres Heils, das Vaterland des Herrn, das Mutterland der Religion“. Und er ließ einen flammenden Appell folgen: „Der Herr bittet und ermahnt euch als Herolde Christi, die Armen wie die Reichen, dass ihr euch beeilt, dieses gemeine Gezücht… zu verjagen.“
Motiv für den ersten Kreuzzug
Vordergründig reagierte der Papst damit auf einen Hilferuf des byzantinischen Kaisers Alexios I. Dahinter aber steckte ein ganzes Bündel von Motiven: Zum einen tobte der „Heilige Krieg“ gegen den expansiven Islam schon lange, zum anderen war es 1054 zur Trennung zwischen Ost- und Westkirche (Schisma) gekommen, die eine militärische Intervention im Orient womöglich wieder würde heilen können. Außerdem ließen innere Unruhen in den Abendländern Ablenkung nach außen willkommen erscheinen, wie Urban freimütig durchblicken ließ: „Mögen diejenigen, die bis jetzt Räuber waren, Soldaten werden.“ Was war denn plötzlich anders? Die heiligen Stätten in Palästina waren ja schon im 7. Jahrhundert in islamische Hand gefallen, doch hatte das bisher christliche Pilgerfahrten und tolerantes Nebeneinander kaum behindert. Die neue Qualität rührte her vom Aufstieg des Seldschukenreiches, benannt nach dem Begründer Seldschuk (um 1000), der islamisierten Türken, die 1070 Jerusalem erstürmt hatten. Erst das bot den Anlaß zum ersten Kreuzzug, der 1096 begann und vornehmlich von französischen, flandrischen, normannischen und deutschen Rittern getragen wurde unter Führung Gottfrieds von Bouillon.
Judenverfolgungen
Die Judenfeindschaft des Mittelalters war religiös begründet, war Antijudaismus, nicht vergleichbar mit dem rassistischen Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts. Allerdings hatte sie wie dieser auch soziale und wirtschaftliche Komponenten. Juden wurde der „Gottesmord“ (Kreuzigung Christi) zur Last gelegt, und man verdächtigte sie auch, den Arabern bei der Eroberung der heiligen Stätten in Jerusalem geholfen zu haben. Durch die Kreuzzüge erfuhr die Judenfeindschaft
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