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Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation

Titel: Deutsches Elend. 13 Erklärungen zur Lage der Nation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Schmidt
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(Liechtenstein zeigt zur Abwechslung wieder zwei Adler). Im Braunschweiger Wappen marschieren gleich drei von den Bestien. (›Steige hoch, Du roter Adler !‹: Brandenburg, Pommern, Westpreußen, Rheinprovinz, Schlesien). Bei Hessen=Nassau hat man die Wahl zwischen einem goldgelben Löwen und einem silbern und rot gestreiften, sowie einem Silberadler mit 4 (vier) Klauen – und man vergesse nie, daß dergleichen auf jeder gestempelten Geburtsurkunde prangt, jedem friedlichen Trauschein, jedem bürgerlichen Kaufkontrakt!
    Man kann natürlich auch den unverbindlich=amüsierten Standpunkt des Briefmarkensammlers annehmen, und sich an den ›Landschaften‹ von San Salvador ergetzen : da dampft ein energischer Vulkan über einem scharmanten Meer; links geht eine strahlen-reiche Sonne auf; und zwölf Sterne bilden nach oben den abschließenden Bogen. Spazierengehen kann man in den reizenden Paysagen von Ecuador und Costarica; von Bolivien und Nicaragua ganz zu schweigen.
    Wo aber findet man vernünftige, menschenwürdige Zeichen, d. h. solche, die einmal nicht aus der ›guten alten Zeit‹ der Raubritterschaft herrühren ? Wo solche, die Bürger = und Bauernfleiß verherrlichen; die ewig= ehrwürdige Arbeit des ›Dritten und Vierten Standes‹ ? (Und sie sind in Wahrheit der ›Erste und Zweite Stand‹ !).
    Da ist Hamburg : ein silberner Torturm in rotem Feld ( = Trotz und Sicherheit seiner Bewohner : gut !). Bremen hat einen Schlüssel – zur Welt vermutlich; auch das sinnreich und Niemandem wehetuend. Baden führt in goldenem Feld einen roten Balken; bon, das ist wenigstens unanstößig (gleichviel, was sich die Heraldiker bei einem ›Balken‹ denken), und kann für's Zimmermannshandwerk vereinnahmt werden. Wo aber sind die Großstaaten, die sich nicht mehr der unwiderstehlich=brutalen Raubtiere bedienen; die weder der Löwen noch Adler bedürfen, noch Einhörner oder anderer Fabeleien ?
    Da ist einmal Sowjetrußland : ein Hammer und eine Sichel sind doch wohl unleugbar ehrwürdigere Symbole, als ›Wilde Männer‹ oder rasende Tiere. Oder die schöne Harfe des Freistaates Irland : sollte das vielleicht das gelobte Land für Dichter und Sänger sein ? Schlagen wir getrost an unsre eigne Brust, und vergleichen wir die Wappen der beiden Staaten des geteilten Deutschland : im Osten Zirkel, Hammer, Ährenkranz; im Westen der uns zum Überdruß geläufige herbarienplatte Schwarzadler ! Wie wäre es, wenn wir uns endlich einmal ermannen würden, und beide vertauschen – aus ›Prestigegründen‹ könnte ja bei einer eventuellen Wiedervereinigung keiner das Wappen des Anderen übernehmen ! – gegen, meinethalben, ein aufgeschlagenes Buch : ›Land der Dichter und Denker‹. Wäre das nicht würdiger als die ausrangierten Totschlägerzeichen aus den finsteren Epochen, wo ein Mann nur so viel wert war, wie sein rechter Bizep ?!
    Man werde sich doch endlich klar darüber, daß der es schwerer hat, ein friedlicher fleißiger Bürger zu werden, der von Kind auf gewöhnt wird – und sei es nur beim Aufkleben der Briefmarken – pausenlos das Gesäß eines Großraubtiers abzulecken. Aufgabe für den künftigen Bundestag also: Ändert unser Wappen ! Ins Menschliche ; ins Bürgerliche.
    [1957]

HAT UNSERE JUGEND NOCH IDEALE ?
    ›Ideal‹ – auch eines jener, uns um eine entscheidende Spur zu oft offerierten großen Worte, die uns so unglücklich machen !
    Und zwar deshalb, weil sich die meisten davon in späteren Jahren als absurd, wenn nicht gar gemeingefährlich entpuppen – etwa das ›Ideal‹ des ›Helden‹; harmlosestenfalls hohle Nüsse, mit Spinnweben gefüllt.
    Wenn ich der Truggestalten gedenke, die man erzieherischerseits an den Horizonten meiner Jugend als ›Ideale‹ herumspuken lassen wollte – der ›Mannhaftigkeit‹, die sich dann grinsend als reinrassige Brutalität demaskierte; oder des ›Genies‹, des angeblich so schändlich begabten, daß es kaum noch zu arbeiten brauchte; und all das verkündet von dubiosesten Gehrockträgern – wenn ich all das bedenke, könnte ich nur begrüßen, wenn unsere heutige Jugend nicht mehr mit Idealen gefoppt würde; nicht mehr wertvolle Stunden mit dergleichen süßen Nichtigkeiten vertäte. Wenn !
    * *
    *
    Ehe wir von der Jugend – also, disons le mot, den ›Teenagers‹ – ›Ideale‹ verlangen, sollten wir Älteren jedesmal kurz in den Spiegel schauen; und es wäre sehr gut, wenn dazu, hinter unserm Rücken, der ›horror=disc‹ abliefe :
    »Habt Ihr

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