Deutschland 2.0
Winkler, C.H. Beck Verlag, München:
Winklers zweibändige Abhandlung über die deutsche Geschichte von der Reichsgründung 1871 bis in die heutige Zeit ist das vielleicht
wichtigste Standardwerk der aktuellen deutschen Geschichtsschreibung. Mehr noch: Winkler, dessen Werk übrigens bei der Bundeszentrale
für Politische Bildung günstig als Paperback in der Schriftenreihe zu beziehen ist, hat eine deutsche Geschichtsversion geschrieben,
auf die man sich von links bis rechts und von West nach Ost einigen kann. Schon deshalb ist ›Der lange Weg nach Westen‹ ein
Geschenk. In Polen oder auf dem Balkan fehlen solche Bücher völlig: Hier wird die jüngere Geschichte noch immer munter politisch
instrumentalisiert – auch deshalb, weil man sich über die jüngere Geschichte streitet oder sie tabuisiert. Werke wie die von
Winkler helfen, genau das zu verhindern.
›Gewendet‹, Harald Hauswald, Lutz Rathenow, Jaron Verlag, Berlin:
Die Fotos des (ost-)deutschen Fotografen Harald Hauswald erzählen mehr als manche Reportage über die Teilung und ihre Überwindung.
Hauswald erzählt Bildergeschichten aus dem Prenzlauer Berg, vom Alexanderplatz, aus Fußballstadien und den verlorenen Ecken
Berlins. Besonders eindrucksvoll ist sein Fotoband ›Gewendet‹, in dem er die Bilder aus der »Hauptstadt der DDR« mit Aufnahmen
vom selben Ort aus der Hauptstadt des neuen Deutschlands kontrastiert. Der Band ist mit Essays desSchriftstellers Lutz Rathenow versehen. Es ginge nicht darum, die alten Zeiten als schlecht und die neuen als gut zu beschreiben,
sagt Rathenow – man wolle von spannenden Zeiten erzählen, damals wie heute.
›Baustelle Deutschland‹, Franz Walter, Suhrkamp Verlag:
Walters Essays, die regelmäßig auf ›Spiegel Online‹ und in der ›Welt‹ veröffentlicht werden, gehören zur Pflichtlektüre für
Politiker und Journalisten, die sich nicht nur mit tagespolitischen Betrachtungen zufriedengeben wollen. Der Politologe Walter
kennt die jüngere deutsche Geschichte genau und leitet daraus Thesen für Gegenwart und Zukunft der Republik ab. Während viele
Politologen nur Binsenweisheiten mit Fachchinesisch versehen, wird Walter von echtem Erkenntnisinteresse und sympathischer
Neugier geleitet.
›Die nächsten 100 Jahre‹, George Friedman, Campus-Verlag:
Die Zukunftsprognose vom Chef des amerikanischen Stratfor-Instituts ist zwar inzwischen auch auf Deutsch erschienen – gelesen
wurde sie offenbar kaum. Das ist schade, denn der Amerikaner hat auch über Europa viel zu sagen. Vielen Deutschen wird nicht
schmecken, was Friedman ihnen als Prognose serviert – Bevölkerungsrückgang, politische Unberechenbarkeit und ein vitaler,
mittelfristig besser aufgestellter polnischer Nachbar. Man muss Friedman auch nicht jede Zeile glauben, manches ist sehr spekulativ.
Aber hier hat sich jemand getraut, mal das vor uns liegende Jahrhundert auszuleuchten. Deshalb: Pflichtlektüre für alle, die
nach vorne denken wollen.
›Berlin, Du deutsche, deutsche Frau‹, Wolf Biermann, Hoffmann und Campe Verlag:
Was Hauswald mit seinen Bildern macht, kann Biermann mit seinen Gedichten. Ein Band mit Versen aus fünf Jahrzehnten, einBuch über Berlin – und Heimweh: »Als ich zurückkam, war ich sehr alleine.«
›1989. The Struggle to create Post-Cold-War Europe‹, Mary Elise Sarotte, Princeton University Press:
Das Buch der Amerikanerin Mary Elise Sarotte ist ein penibel recherchiertes Werk über die atemberaubenden Ereignisse des Wendejahres
bis hin zur Deutschen Einheit 1990. Die Autorin erzählt nicht deutsche, sondern europäische Geschichte – jenseits aller Mythen. So war’s.
Dank
Bedanken möchte ich mich bei meiner Frau Anjana Shrivastava für gute Ideen und kritische Lektüre, dasselbe gilt für meinen
alten Freund und Kollegen Hans Halter, früher Fluchthelfer, später Rudi Dutschkes und Rudolf Augsteins Arzt, in der Hauptsache
aber immer Buchautor und (›Spiegel‹-)Reporter. Andrea Wörle vom Deutschen Taschenbuch Verlag danke ich für Vertrauen und Geduld,
ebenso meinem Lektor Olaf Benzinger für konstruktive Einwände und Hinweise. Und Indira, Rahel, Miriam, Emma und Helene, alle
nach dem Mauerfall geboren, danke ich für ihr ehrliches Interesse an der jüngeren deutschen Geschichte aus grauer Vorzeit.
Personenregister
Adenauer, Konrad
Andreotti, Giulio
Bär, Dorothea
Baudrillard, Jean
Bebel, August
Beethoven,
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