Deutschland allein zu Haus
einen tollen Garten darfst du deinem Onkel nicht vorenthalten! Wenn er unseren Super-Garten nicht gesehen hat, hat er Deutschland nicht gesehen!«
»Ja, gut«, knicke ich wie immer ein. Meine Frau hat doch recht, ich kann kein Deutsch. Nicht mal das Wort ›Nein‹ kommt mir fehlerfrei und vor allen Dingen zügig über die Lippen.
Einmal versuchte deshalb ein bekannter Buchhändler, mir ein Buch mit dem Titel ›Erfolgreich Nein sagen‹ anzudrehen, aber zum ersten Mal in meinem Leben habe ich erfolgreich Nein gesagt und mich geweigert, dafür Geld auszugeben. Ich hab wohl ganz offensichtlich am falschen Ende gespart!
»Osman, so ein Garten umgeben von lauter Deutschen ist kein Zuckerschlecken, letztes Jahr hätte uns der Kleingartenverein sogar beinahe gekündigt«, überschlägt sich Ahmets Stimme auf dem Weg zu seinem Schrebergarten, »weil die Hecke zu hoch war oder die Tomaten zu klein!Oder weil wir zu viele Tomaten und dafür zu wenige Äpfel hatten. Oder zu viele Äpfel auf dem Boden oder zu viele Äpfel im Nachbargarten. Oder der Rasen war nicht glatt genug rasiert oder die Stiefmütterchen nicht sorgfältig genug gepudert. Ich weiß es nicht mehr… Der Mahnbrief, den wir vom Vorstandsvorsitzenden des Kleingartenvereins bekamen, war auf jeden Fall sehr, sehr lang und extrem vorwurfsvoll.«
»Und wie hat Fadimanim darauf reagiert?«, heuchle ich ein bisschen Interesse.
»Meine Frau war logischerweise todtraurig. ›Unser Zeugnis ist sogar noch schlechter als die grauenhaften Schulzeugnisse, die unser fauler Sohn Murat Jahr für Jahr nach Hause schleppt. Und das will was heißen!‹, murmelte sie zu Tode betrübt. Osman, die Situation war total ernst! Noch so ein katastrophales Jahr und wir könnten unseren Grill ein für alle Mal einpacken, drohte man uns in brutaler Eindeutigkeit.«
»Ach du meine Güte«, muss ich wieder Interesse vortäuschen.
»Ja, natürlich! Deshalb schleppte meine Frau den ganzen Winter über ständig neue Bücher an, die die ganze Familie lesen, ja sogar auswendig lernen musste!
›Garten für Faulpelze‹ hieß das erste Buch, dann folgten:
›Gärten für Dummys‹,
›Gartenpraxis‹,
›Feng-Shui für den Garten‹,
›Genial gärtnern‹,
›Mein Bio-Garten‹,
›Design mit Pflanzen‹,
›Der perfekte Pflanzendoktor‹,
›Homöopathie für Gartenpflanzen‹,
›Gärtnern im Rhythmus des Mondes‹.
Das letzte Buch, ›Reptilien und wilde Tiere im Garten‹, habe ich mich geweigert zu lesen, weil unser Schrebergarten ja zum Glück nicht im afrikanischen Urwald liegt, sondern nur in Bremen-Findorff.
Mit der Begründung, dass wir bei der globalen Erderwärmung auf große Veränderungen rechtzeitig vorbereitet sein müssen und auf keinen Fall noch so ein miserables Zeugnis von der Schrebergarten-Leitung bekommen dürfen, zwang Fadimanim mich am Ende doch noch, ›Reptilien und wilde Tiere im Garten‹ zu lesen. Du weißt, wie penetrant sie sein kann! Aber immer wenn sie in der Küche war, habe ich nur die Bilder dieser blutrünstigen Tiere angeguckt, ohne mich ernsthaft darum zu kümmern, wie ich meine Familie schützen sollte, falls ein Krokodil und ein Löwenrudel gemeinsam unseren Schrebergarten von zwei Seiten angreifen sollten.«
»Oh weia!«
»Ja, wem sagst du das! Und wie ich es all die Monate vorher geahnt hatte, beließ sie es leider nicht beim Lesen der Bücher. Wie eine Strafkolonne musste die gesamte Familie jeden Tag stundenlang mit Hacke und Schaufel im Garten schuften, sobald der Winter zu Ende war. Ich durfte dabei nicht mal sprechen, geschweige denn inbrünstig fluchen, weil Lärm und negativ geladene Energie angeblich die Pflanzen störten. Ich war heilfroh, dass sie mir nicht das Atmen verbot, damit ich ihren geliebten Pflanzen nicht die Luft stehle.«
»Das gibt’s doch nicht!« Gääähnn!!
»Ja, das war echt der Wahnsinn! Wir mussten auch den ganzen Sommer über schuften! Erst gestern, einen Tag vor der diesjährigen Prüfung, ist unser Super-Garten endlich fertig geworden – wir erst recht!«
»Es sieht aber bestimmt sehr hübsch aus, nicht wahr?«
»Ja, irgendwie schon. Unser Garten sieht aus wie, wie soll ich sagen … eigentlich sieht unser Garten überhaupt nicht wie ein Garten aus, sondern mehr wie ein Museum. Alles total ordentlich, sauber und streng militärisch in Reih und Glied.«
»Wahnsinn!«
»Ja, das war wirklich der Wahnsinn!«, bestätigt Ahmet und gleich danach sind wir auch schon da. »Meine Frau Fadimanim wartet
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