Deutschland allein zu Haus
um mich ausreichend zu bestrafen. Deshalb hat sie uns so platziert, dass sich 2 Meter neben mir auch noch die Eingangstür der Herrentoilette befindet.
»Na, ist das nicht herrlich hier? Die Natur ist so was von romantisch und duftet so herrlich«, schwärmt sie bestens gelaunt.
»Also ich weiß nicht, ich weiß nicht«, keuche ich immer noch, »so richtig romantisch riecht die Natur nicht, die Herrentoilette schon gar nicht«, und halte mir die Nase zu.
Onkel Ömer inhaliert diese stinkende Luft förmlich, als wäre es das teuerste Parfüm der Welt, und schwärmt mit glänzenden Augen vor sich hin:
»Dieser schöne Duft erinnert mich an meine süße Kuh Pembe, was macht sie jetzt bloß ohne mich?«
Obwohl wir die einzigen Besucher sind – ich gehe mal davon aus, dass die stinkenden Kühe hier dauerhaft wohnen müssen und nicht zum Tee vorbeigeradelt sind –, kommt der Bauer erst nach einer Viertelstunde zu uns an den Tisch, um unsere Bestellung aufzunehmen. Aber nicht aus Ignoranz oder weil wir hier unerwünscht sind, sondern weil er so stark hinkt. Für die 10 Meter brauchte er fast eine Ewigkeit. Wenn er, anstatt zu kriechen, laut zu uns rübergerufen hätte, wäre alles viel schneller gegangen.
Das wirklich Tragische daran ist ja: Er braucht jetzt noch mal 15 Minuten wieder zurück. Das erkennt auch meine Frau und springt energisch und voller Tatendrang auf, um ihm zu helfen.
Nachdem sie mit Hatice zusammen unsere Getränke gebracht und danach den Tisch wieder abgeräumt hat, kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen:
»Eminanim, ich weiß nicht, wem ich jetzt das Trinkgeld geben soll, dem hinkenden Bauern oder dir?«
»Gib’s mir doch, Papa, ich hab dir doch deinen Tee gebracht«, ruft Hatice begeistert dazwischen, mit gierigen Augen wie eine kleine Katze beim Fischhändler.
»Dafür, dass du die Hälfte auf dem Weg hierher verschüttet hast, oder was?«
»Du undankbarer Papa, von dem alten Opa hättest du ja gar nichts bekommen«, antwortet sie frech wie immer.
»Also gut«, rufe ich und drücke ihr gönnerhaft einen Euro in die bettelnde kleine Hand.
Ich spendiere gnädig auch meiner Frau einen funkelnagelneuen Euro, in der Hoffnung, sie milde zu stimmen und zur Rückkehr zu bewegen.
»Osman, wenn du denkst, ich würde für einen Euro kehrtmachen, dann hast du dich aber gewaltig getäuscht.«
»Wie kommst du denn da drauf?«, lüge ich in meiner Not, um neben meinem Onkel nicht wie ein charakterloser Bestecher dazustehen. »Eminanim, du willst also, dass wir uns jetzt gnadenlos weiter erholen, bis wir alle aus dem letzten Loch pfeifen! Wenn du es aber genau wissen willst, wie es bei mir jetzt letzteslochmäßig aussieht, muss ich dir sagen, ich habe das letzte Loch schon genau an der Stelle hinter mir gelassen, als ich vor 40 Minuten an meinem heftigen Keuchhusten fast jämmerlich erstickt wäre! Und dem Onkel Ömer geht es sicherlich auch nicht besser, oder?«, hoffe ich wieder vergebens auf Beistand von höherer Ebene.
»Mir geht’s heute prima!«, fällt der mir in den Rücken. »Das Wetter ist schön, dieser Weg ist schön, Deutschland ist schön und der Geruch erinnert mich an meine hübsche Pembe …« Und mich an die Autobahntoiletten in Serbien! Danke, Elf!
Wenn es noch eines Beweises bedarf, um zu zeigen, dass mir wildfremde Personen mehr Verständnis entgegenbringen als meine eigene Familie – hier kommt er:
»Entschuldigen Sie bitte, dass es heute etwas streng aus der Herrentoilette riecht«, sagt der alte Mann etwas verschämt, »aber unsere eigentlich sehr treue Reinigungskraft kommt seit Tagen nicht mehr. Genau wie unsere Kellnerin. Die beiden haben sich nicht mal abgemeldet, das ist bisher so gar nicht ihre Art gewesen. Ich weiß nicht, woran das liegt.«
»Könnte es vielleicht an den Wahlen liegen?«, tut Eminanim ahnungslos, die ja genau wie die beiden aus Deutschland verduften will, falls es hier brenzliger wird.
»Was für Wahlen denn?«, tut der Mann noch ahnungsloser.
»Miss Germany!«
»Sie waren doch beide keine Deutschen«, seufzt er, »und so richtig schön eigentlich auch nicht.«
21 Eine halbe Stunde später hat die zweitgrößte Nervensäge des Mittleren Orients endlich Erbarmen mit meiner Nase und wir fahren wieder los!
Genauer gesagt, die anderen fahren und ich sieche nur so dahin …
»Papa, gib mir mal meine Mütze wieder«, ruft Hatice.
Dankbar, dass ich dadurch anhalten darf, trete ich sofort auf die Bremse.
Nach intensivstem Suchen in meinem
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