Deutschland allein zu Haus
nicht, mein Herr: Hier werden Sie nicht bedient!«
»Osman, was ist denn los?«, fragt mein Onkel mal wieder sehr neugierig und bittet mich im ungünstigsten Augenblick um eine Übersetzung.
»Es gibt leider ein Problem«, tue ich schwer enttäuscht.
»Was denn? Gab’s etwa eine Razzia wegen Glücksspiel?«, fragt er besorgt.
»Was für ein Glücksspiel?«
»Bei uns im Dorfcafé gibt’s ständig Razzien. Dabei spielen wir doch höchstens um die Apfelernte oder um eine Ziege.«
»Ach, nein, keine Razzia. Die Cafébetreiber sind bloß untröstlich, dass sie hier keinen türkischen Mokka mehr haben«, lüge ich wie gedruckt und wende mich dann wieder dem arg unverschämten Kellner zu:
»Gut, ich hab Sie verstanden. Aber werden wir etwas konkreter: Bekommen die Ausländer nur in diesem Café keinen Schluck Wasser mehr oder hat ganz Hamburg sich vorgenommen, mich wie einen Fisch ohne Wasser zappeln zu sehen?«
Während er einem Gast das Wechselgeld zurückgibt, zischt er nebenbei:
»Fisch? Sie wollen Fisch? Dort ist der Hafen!«
»Wissen Sie was, jetzt tut es mir überhaupt nicht mehr leid, dass Ihre komische Stadt bald dem versunkenen Atlantis auf dem Meeresgrund Gesellschaft leisten wird! Ehrlich gesagt, nach Ihrem heutigen Benehmen kann ich es sogar kaum abwarten, dass Hamburg und Atlantis bald gezwungenermaßen Partnerstädte werden. Und ich hoffe von ganzem Herzen, dass dieses bisschen Wasser, das Sie mir jetzt völlig gemeinerweise vorenthalten, der berühmte letzte Tropfen sein wird, der dieses hässliche Fass Hamburg zum Überlaufen bringen wird! Und wenn ich dann das nächste Mal mit einem Tretboot gemütlich über Eppendorf, Winterhude, Ohlstedt, Eimsbüttel, Altona und St. Pauli schippere, werde ich genau hier, über Ihrem Café, genüsslich ins Wasser pinkeln!«
»Osman, was erzählst du denn hier für einen Roman?«, mischt sich wieder meine neugierige Tante, ich meine, mein neugieriger Onkel ein.
»Onkel Ömer, ich habe ihm gerade ohne Umschweife direkt ins Gesicht gesagt, dass ich ihn sehr unverschämt finde! In Hamburg wohnen Tausende Türken, aber trotzdem können diese Penner einfach nicht dafür sorgen, dass sie immer genügend türkischen Mokka im Haus haben! Na, habe ich denn etwa unrecht, wenn ich den Kellner deswegen hier zur Sau mache?«
»Ein bisschen schon«, antwortet er peinlich berührt, »es kommt sogar öfters vor, dass unser Dorfcafé keinen Mokka mehr hat, dann trinken wir halt wieder einen Tee. Unser alter Kellner Hidayet würde mich mit einem Tritt in den Hintern hochkant aus dem Café rauswerfen, wenn ich ihn wegen einem blöden Mokka so anmachen würde. Ich muss schon sagen, du gehst sehr streng mit den armen Deutschen um!«
»Mein Herr, ich weiß nicht, worüber Sie reden! Ich kann Sie beim besten Willen nicht verstehen!«, meint der besagte arme Deutsche, der uns nicht bedienen will, nur weil wir schwarze Haare haben und den Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen, es tagtäglich mit ihren Frauen treiben und in Parallelgesellschaften leben und die Faschos die Wahlen gewonnen haben und und und … Dabei kann ich mich überhaupt nicht erinnern, dass ich jemals als Kellner arbeiten wollte.
»Ich kann mir schon vorstellen, dass Sie mich nicht verstehen wollen«, grinse ich ironisch, »aber an dem Tag, an dem ich mit einem Tretboot über Ihr Café fahre, sollten Sie für Ihren Nachmittagstee lieber fest verschlossenes Flaschenwasser verwenden …«
»Osman, der arme Kerl guckt so bedröppelt wie ein Hündchen, dessen Schwanz von einem Lkw überfahren wurde – was hast du ihm denn jetzt gesagt?«, will mein Onkel Ömer wieder alles wissen.
»Onkel, er meint, dass wir morgen wiederkommen sollen, damit er uns als Wiedergutmachung für seinen heutigen unverzeihlichen Fehler auf Kosten des Hauses frischen türkischen Kaffee und leckeren Kuchen mit viel Sahne ausgeben kann.«
In dem Moment meint der bedröppelte Kerl erstaunlich höflich:
»Mein Herr, für unseren Tee verwenden wir grundsätzlich nur hochwertiges Quellwasser. Möchten Sie vielleicht probieren?«
»Ich denke, Sie wollen uns nicht bedienen, nur weil wir …«
»Weil Sie hier an Tisch 17 sitzen. Seit 10 Tagen ist die linke Seite des Biergartens wegen Personalmangels geschlossen.«
»Ich fass es nicht! Diese Tische sind doch nur einen Meter von den anderen entfernt. Ich kann den Nebentisch doch berühren, wenn ich mich strecke. Schauen Sie doch! Abgesehen davon sind alle Tische drüben auf der rechten
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