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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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für wenig Geld alle ihre Möbel mitnehmen können. Mein Telefon steht seit Tagen nicht mehr still.«
    »Und wie machst du das?«, stottere ich verwundert.
    »Ich kenne da zwei Gemüsegroßhändler aus unserer Stadt, die Norddeutschland beliefern. Dank Onkel-Ömer-Transportsfahren diese Lkws jetzt nicht mehr leer in die Türkei zurück.«
    »Onkel Ömer, du bist ein Genie«, klopfe ich ihm anerkennend auf die Schulter. »Und wie machst du dafür Werburg?«
    »Mundpropaganda ist die beste Werbung, mein lieber Neffe«, lacht er gut gelaunt.
    »Zur Feier des Tages bestelle ich dann 2 Tee.«
    Zur Antwort bekomme ich schon wieder das hübsche neue Firmengedicht um die Ohren:
    »Onkel-Ömer-Transports – es geht looos!
    Wir bewegen Ihr Leben – von hier nach da,
    Wenn’s sein muss – von Bremen nach Adana!
    Wir packen’s an – sagen Sie mir nur wann,
    Mit uns kommen Sie immer gut an!«
    Nach dem zwanzigsten Mal finde ich das Gedicht nicht mehr so hübsch – und neu schon gar nicht!
    »Onkel Ömer, mach bitte endlich das Ding aus. Du hast für heute genug gearbeitet. Jetzt fängt das Vergnügen an. Ich bin sehr gespannt, was du in Bremen noch gern so anschauen willst?«, frage ich neugierig.
    »Hamburg«, sagt er mit großen Augen.
    »Hamburg?? Das ist kein Vorort von Bremen.«
    »Ja, ich muss unbedingt Hamburg sehen«, ruft er euphorisch.
    »Du hast doch Bremen noch nicht richtig gesehen!«
    »Bremen habe ich mir jetzt jeden Tag genug anguckt, als du bei der Arbeit warst.«
    »Hamburg darfst du aber nicht verkaufen!«
    »Mach ich nicht, verspreche ich dir!«
    »Willst du also trotzdem dahin?«
    »Klar, Eminanim sitzt doch auf gepackten Koffern!Deshalb würde ich mir sehr gerne Hamburg anschauen, bevor ich in meinem Dorf wieder die Ziegen ansehen muss. Eigentlich wollte ich mir ja ganz Europa anschauen, aber daraus wird leider nichts. Eminanim hat mir alles erzählt!«
    »Onkel Ömer, ich sag’s noch einmal: Eminanim übertreibt wie immer. Hast du hier in Bremen schon mal einen leibhaftigen Nazi gesehen?«
    »Muss man sich jetzt unbedingt ein paar Nazis angucken, bevor man nach Hamburg fahren darf, oder was? Was muss ich denn tun, um München sehen zu dürfen – Haifische unterm Kinn kraulen?«
    »Nein, nein, hast du überhaupt einen Nazi gesehen, war meine Frage.«
    »Ich werd verrückt! Warum willst du mir unbedingt Nazis zeigen, verdammt? Hat Deutschland außer diesen Idioten nichts anderes mehr zu bieten, oder warum redest du ständig davon?«
    »Ich … eh … dachte … Eminanim hat dir alles erzählt?«
    »Osman, spiel hier nicht den Unschuldigen! Eminanim hat mir verraten, dass du derjenige bist, der unbedingt will, dass sie ihren Busen vergrößert. Deswegen sitzt sie ja auf gepackten Koffern. Sobald ein Termin in der Klinik in Istanbul frei wird, muss sie sofort hinfliegen.«
    »Siehst du!«, atme ich erleichtert auf, »mit Nazis hat es gar nichts zu tun!«
    Wenn sich meine Frau eine andere Ausrede als die bescheuerte Busenvergrößerung hätte einfallen lassen, dann wäre es entschieden vorteilhafter gewesen!
    »Du bist hier derjenige, der die ganze Zeit von Nazis faselt! Übrigens, wusstest du, dass Hamburg mehr Dinger als Venedig hat?«
    »Busen?«
    »Quatsch! Ich meine doch Brücken! Hamburg hat genau 2500 Brücken, ist das nicht sensationell?«
    »Onkel Ömer, Bremen hat auch sehr viele Brücken. Und bei einigen fließt sogar Wasser darunter.«
    »Und bei den anderen? Sag bloß nicht Nazis!«
    »Nein, bei den anderen fließen Autos. Zu viel Wasser ist nämlich gar nicht so gut. Bei der momentanen Erderwärmung wird Hamburg bald überflutet sein und von der Landkarte verschwinden!«
    »Siehst du, dann müssen wir also auf jeden Fall so schnell wie möglich nach Hamburg! Später wird’s sicher viel teurer, wenn man sich die Stadt nur noch vom U-Boot aus angucken kann. Ich übernehme selbstverständlich auch alle Kosten«, sagt er, ganz der Großkapitalist.

30 Am Hauptbahnhof sehen wir Hunderte von Ausländern, die mit ihren letzten Habseligkeiten unterm Arm in Richtung Gleise marschieren.
    »Die Knoblauch-Karawane zieht endlich weiter«, höre ich Passanten spotten. Viele andere applaudieren.
    Wo kommen denn plötzlich all diese grobschlächtigen Menschen her? Oder habe ich die vorher alle einfach übersehen?
    »Osman, schau doch, diese ganzen Türken vertrauen mir ihre Möbel an. Ist das nicht schön?«, ruft Onkel Ömer stolz.
    Bevor wir noch durch die Massen in den falschen Zug gespült werden,

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