Deutschland allein zu Haus
und ihre ganze unglückliche Lebensgeschichte erzählt. Wenn man darauf keine Lust hat und denen die kalte Schulter zeigt, dann lästern sie hinter deinem Rücken nur dummes Zeug. Deine Deutschen sind wirklich sehr angenehme Zeitgenossen und nette Mitfahrer!«
Nach einer halben Stunde müssen die beiden netten Menschenkenner leider irgendwo mitten in der Pampa aussteigen.
»Halt, halt, warten Sie«, rufe ich ihnen hinterher und schenke den beiden die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift›Psychologie Heute‹ mit dem Titel »Vorurteile – und wie man sie wieder los wird!«.
31 Nach 5 langen Stunden zu Fuß durch Hamburg bin ich mir ganz sicher, dass das mit den 2500 Brücken auf keinen Fall stimmen kann. In Hamburg gibt es gefühlte 50 000 Brücken, und wir waren auf jeder von diesen 50 000 Brücken mindestens zweimal drauf!
Ich bin fix und fertig!
Eine Stadtbesichtigung per U-Boot hätte mir entschieden besser gefallen, aber dafür sind wir vermutlich ein paar Tage zu früh hierhergekommen.
»Osman, nun übertreib mal nicht so, wir waren höchstens auf 99 Brücken«, lacht mein Onkel Ömer nach der stundenlangen Tortur durch ganz Hamburg immer noch erstaunlich gut gelaunt. Ich habe keine Ahnung, wo der alte Mann all seine Energie hernimmt. Eigentlich müsste er jetzt als alter Onkel husten und keuchen, jammern und stöhnen, dass ihm alles höllisch wehtut – und sein junger Neffe aus Alamanya müsste ihm Mut zusprechen!
Während der großen Alsterumrundung überzeuge ich ihn, dass wir endlich Rast machen müssen, mit der Drohung, dass er sonst alleine wieder zurück nach Bremen fahren und meiner Frau die traurige Botschaft übermitteln darf, dass sie ab heute leider mit einer mickrigen Witwenrente auskommen muss …
Wir finden ein hübsches Café direkt am Wasser und setzen uns im Garten hin.
»Weshalb mussten wir denn den ganzen Tag zu Fuß durch die Gegend latschen? Das letzte Mal bin ich vor 14 Jahrendurch Hamburg marschiert, als wir mit Werder im Volksparkstadion gewonnen haben, da war ich jünger und hübscher«, meckere ich hundemüde.
»Bei euch in Bremen ging ich doch auch stundenlang zu Fuß spazieren. Bremen und Hamburg sind ja flach wie schlecht gebackenes Fladenbrot«, meint er locker.
»Ich bin total fertig! Ich weiß nicht mal mehr, wo rechts und links ist!«, jammere ich.
»Aber du weißt hoffentlich, dass ich immer noch dein Onkel Ömer bin und nicht deine Tante Ülkü, oder?«
»Ja, das weiß ich gerade noch! Tante Ülkü trägt hübschere Kopftücher als du. Ihr Bart kratzt auch nicht so.«
Mittlerweile sitzen wir seit über einer halben Stunde in diesem herrlichen Garten des Cafés, aber kein einziger Kellner lässt sich bisher bei uns blicken.
Genauer gesagt, wir können die schon sehen, wie sie ständig mit vielen Getränken und jeder Menge Kuchen auf den Armen hin- und herflitzen – aber wir scheinen für die total unsichtbar zu sein, die ignorieren uns völlig.
Obwohl ich zweimal sehr höflich wie eine japanische Prinzessin nach denen rufe, gelingt es mir nicht, sie für unsern Tisch zu begeistern. Schade, dass es ausgerechnet heute passiert und Onkel Ömer Zeuge dieser unschönen Situation werden muss! Andererseits habe ich wiederum Glück, dass wenigstens meine Frau Eminanim nicht dabei ist und ich von ihren haltlosen Verschwörungstheorien verschont werde, wie zum Beispiel:
»Ganz klarer Fall von Ausländerfeindlichkeit! In diesem Land werden wir nicht mehr bedient, gut, dass ich Deutschland verlasse« oder »Die blöde Kellnerin hasst mich, weil mein Pullover viel schöner ist als der Fetzen, den sie da trägt …«
Wie heißt es so schön: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss eben der Prophet zum Kellner.
Aber dem ignoranten Kellner ist es so was von egal, ob ich ein Prophet oder eine japanische Prinzessin bin, er sagt klipp und klar, ganz deutlich und völlig unverschämt:
»Hier werden Sie nicht bedient!«
»Also ich bin ja Kummer gewöhnt, mich dürfen Sie hier ruhig jämmerlich verdursten lassen, wenn Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren können. Aber dem alten Mann sollten Sie schon etwas zu trinken geben, denn er ist nicht nur fast so alt wie die Pyramiden, sondern auch nur ein Tourist hier und haut in ein paar Tagen freiwillig wieder ab. Ich zwar auch – aber nicht so freiwillig«, drücke ich auf die Tränendrüse, um wenigstens für meinen Onkel Ömer ein Gläschen Wasser zu erhaschen, als Rückkehrprämie sozusagen.
»Verstehen Sie denn
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