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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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schäfchenweißen Teppichboden und nippte, wie die andern beiden, an einem würzigen Wein, wenn sie nicht redete. Von Hendriks Vater ließ sie sich erklären, warum sie gut daran täte, sich ein von Büsner angebotenes neo-rechteckiges Post-Sowieso fürs Foyer ihrer neuesten Gründerzeitvilla zuzulegen.
    »Wissen Sie, Frau ... sehen Sie ...«, nahm der spindeldürre Mann Anlauf, dann schlug er zu: »Das ist ja, sagen wir mal sozusagen ja nicht. Nein! Nicht, kein ... kein richtiger, äh, Minimalismus, Sie dürfen diese Art der reduzierten, des reduzierten, nun, also Umgangs ...«
    »Umgangs!« freute sich Herr Büsner und nickte stark.
    »... des des des Umgangs mit Klarheit und Schärfe ... nicht mit dem Ansatz von von Dan Flavin oder von ... oder von Sol LeWitt verwechseln.«
    »Nein, nein«, sagte Büsner, nickte erneut und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Wie er das machte, war sein Berufsgeheimnis. Er lebte davon.
    »Sondern das das das, das das ist ja, wie nun, also die die die diese aleatorischen Momente eindeutig ... eindeutig erhellen, unbedingt hindurchgegangen durch diese. Diese ... diese! Durch ... durch diese neokonzeptuellen Schulen der neunziger Jahre, durch diese, ähm, diese amerikanische Art des Einschreibens von ...«
    »Amerikanisch«, zweifelte Hilde Pinguin und legte den Kopf schief, wie ein enttäuschter kleiner Hund, wenn das Würstchen nur aus Gummi ist.
    »... des ... Art... des Einschreibens von, von dem ... von zum Beispiel feministischer Kritik am, an der, wo der der der Körper ... der ... der Körper. Ja. Ja, na ... ja, sehen Sie, hier dieses quasi gestische Moment, diese desultorische ... daß hier da dann da dabei so ein Raum praktisch den, die Betrachtung, den den den Blick auf seine, ähm, Körperlichkeit zurückwirft, das ist ... ist ... ist ist äh ...«
    »... ungemein ...«, half Herr Büsner.
    »... ungemein ... ungemein ... neu und ... neu und und und aufschlußreich.«
    Der Professor hatte es geschafft: Sein Satz war gelandet. Mit zerbrochenen Flügeln zwar, abgeknicktem Schnabel, verkorksten Beinchen, aber immerhin, irgendwie hoffnungsvoll, annähernd verständlich.
    »Es sieht wirklich sehr gut aus, nicht?« freute sich Herr Büsner. Hilde Pinguin mochte den Kunsthändler. Der war, fand sie, vom alten Schlag: informierter, aber diskreter Verkaufsadel, nicht wie diese billigen Galerieleichen mit unfertigen Gesichtern, fotokopierten Kleidern und grob skizzierten Gliedmaßen, die man inzwischen auf Messen, ja selbst im Kosmetikstudio und beim gehobenen Teppichhandel ertragen mußte.
    Sie gab Büsner, weil sie ihn schätzte, recht: »Ich glaube, es paßt bei mir gut hin. Zu diesen schlanken Deckenleuchten.«
    Weil sich alle drei am Geschäftsabschluß interessierten Personen bereits mehr oder weniger positivgeäußert hatten, mußte nur noch das Kunstwerk selber etwas sagen, damit die Sache abgemacht war. Erwartungsvoll blickte Herr Büsner.
    Verwirrt stierte Professor Kilian.
    Kokett guckte Frau Pinguin.
    »Von mir aus«, knurrte das Kunstwerk, schüttelte sich, rasselte mit unerreichbaren Schichten seiner profunditas und gab wieder Ruhe.
    Frau Pinguin klappte ihr Täschchen auf und entnahm ihm ein Scheckbuch.
    Sie hatte eben angefangen, ihre Schnörkel aufs Transferpapier zu malen, da kasperte ihr Handy los. »Zauberhaft!« gratulierte Herr Büsner zur Klingeltonwahl. Als kultivierter Mensch und Abonnent wichtiger Intelligenzblätter mit tollen Werbe-CD-Beilagen erkannte er die Anfangstakte von Beethovens Klaviersonate Nummer 30 in E-Dur op. 109 ohne Mühe. Ein irritierter Blick der Scheckbuchbesitzerin brachte ihn zum Schweigen.
    »Ja?« – Hilde Pinguin meldete sich grundsätzlich nicht mit Namen. Wer diese Nummer kannte, wußte, wen er anrief. »Na, du alte Schnatze! Waaaas geht?« lachte eine herbe Männerstimme mit entspanntem Gossenakzent.
    »Wie bitte?« verbat sich Hilde Pinguin die Unverschämtheit.
    »Was machste grad, Schnatze?« Die Frage klang nach Sozialneid, Porno und Aufruhr.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    »Isch bin de Weihnaxmann, un isch hab’ dein Goldschtück ennführt!«
    Der erste Teil dieser Feststellung sollte ein Witz sein. Der zweite stimmte: Clea Pinguin war Opfer eines Menschenraubs geworden. Ihre Mutter sollte zahlen. »Keine Polizei«, Übergabe in zwei Tagen, weitere Nachrichten später.

    »Wie denn? War’s das schon?« fragte das Kunstwerk, nachdem die drei Menschen, die es eben noch bewundert hatten, erregt aus dem Raum gerannt

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