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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Versprechen und dazu leeren Versprechungen, und die bringen uns doch nichts ein! Nichts! Wir haben es satt, daß wir dabei zusehen müssen, wie immer mehr von uns es satt haben, ständig gesagt zu kriegen, wir hätten es nicht mal langsam satt und dicke!«
    Die Augenbrauen des Redners, der ein billiger Mensch war, bei dem man an fast allem gespart hatte, was nicht zum Arbeiten gebraucht wurde, lösten sich von seinem Schädel und fielen auf sein Manuskript. Ein Windstoß wehte sie ins Graue. Sacht segelten sie über die Köpfe der Leute hinweg, fortgeblasenen Nasenhaaren eines verwesenden Drachen gleich. Ächzen und Grummeln aus dem Publikum begleiteten den Vorgang. Die Affen spielten Fußball mit heruntergefallenen Köpfen. Ein Tank mit einem Delphin darin fiel ohne erkennbare Ursache um.
    Es fing jetzt an, unterbezahlt zu regnen.
    Die Affen kreischten aus Leibeskräften. Die Demonstranten winselten. Der Delphin aus dem zersprungenen Glaskasten platschte mit schwachen Flossen in den entstehenden Pfützen herum und zwitscherte hübsch.
    Der älteste Kommunist Deutschlands dachte an die Frage nach dem Ausweg. Er wäre gern woanders gewesen als auf der Welt, aber realistischerweise war davon auszugehen, daß ihm jeder Weg dorthin versperrt blieb.
    Etwas Neues mußte geschehen. Fast wußte er schon, was das war.

8.
Wieviel ist zuviel?
     
    »Spinnst du jetzt ganz?« schnaubte Hendriks Bruder Martin lachend, als Hendrik die Schokomilch für zwei Euro auf die S-Bahn-Kiosktheke stellte.
    Der Verkäufer musterte Hendrik argwöhnisch. Eine alte Frau mit Rollwägelchen und der »BUN-TEN« in der Hand hielt die Luft an. Zwei Mädchen, die sich eben ein paar Süßigkeiten rausgesucht hatten, kicherten, wie Gänseblümchen kichern. Martins schwarze Lederjacke mit vielen tausend Reißverschlüssen knirschte. Hendrik sagte: »Ich mag den Laden. Er ist so dermaßen brutal zu teuer, daß man das unterstützen muß – ich mein, der Einzelhandel besteht nur noch aus so komischen Weltüberkartellen, alles kostet überall gleich – wo ist dein Sinn für LUXUS, Martin? Ist doch übergeil!«
    Der wahre Grund dafür, daß Hendrik vor und nach der Schule hier jeden Tag einkaufte, hatte mit diesen Angeberüberlegungen überhaupt nichts zu tun. Er mochte einfach die kleine Serbin, bei der er meistens ein Hörnchen kaufte, weil sie die Preisangabe »sechzig Cent« so süß als »Seksekssént« aussprach, daß ihm davon ganz warm wurde – absolut platonisch, aber nachhaltig. Leider fehlte sie heute.
    Daß er zu solchen Empfindungen fähig war, hätte er Martin gegenüber nie zugegeben. Es wärenicht cool gewesen, bloß ein Zeichen seines guten Herzens, und daß er so was hatte, ging keinen was an.
    »Zwei Stutz dafür?« erwiderte der Bruder kopfschüttelnd. »Warum nicht gleich dreißig? Früher hätt’s achtzig Pfennig gekostet! Die sind doch beknackt hier.«
    »Wieso bist du eigentlich so weltüberknausrig, ich denke, du dealst mit Drogen?« gab Hendrik ruhig zurück und warf ein paar Münzen in den Plastikteller: zwei Fünfzig-Cent-Stücke, ein Euro-Stück.
    Der Rockerbruder fand es unter seiner Würde, darauf etwas zu erwidern. Im Gegensatz zu Hendrik war er außerdem der Meinung, daß man besser keine Witze über kriminelle Angelegenheiten machte, wenn man nicht über jeden einschlägigen Verdacht erhaben war. Hendrik griff nach der Kakaotüte und hatte sich dabei schon halb von der Theke abgewandt, als der rechte Arm des Verkäufers übers Glas nach ihm griff und ihn am T-Shirt-Kragen festhielt. »He! Pfoten!« warnte er den Angreifer, der zwar sofort losließ, ihn aber böse anfunkelte. Der Mann wies mit der offenen Hand, die Hendrik eben noch gepackt hatte, auf die Münzen für den überteuerten Kakao und rief: »Was soll der Quatsch? Willst du mich verarschen?«
    »Wa... Na wie? Schau dir das an. Du faßt es nicht!« staunte Martin und guckte aufs Bezahltellerchen: Die beiden Fünfzig-Cent-Stücke waren in Ordnung, aber die Euro-Münze glich einem aufgeweichten Stück Weingummi, verformt und glasig. Bei der Berührung, die Hendrik jetzt, fasziniert und leicht angewidert, zumindest mit der Fingerkuppe des rechten Zeigefingers riskierte, erwies sich das Objekt als klebrig; gelatinös wie Götterspeise.
    »Es hat ja immer geheißen«, ließ sich die Alte heiser vernehmen, »daß die Mark eine harte Währung war und daß das jetzt vorbei ist. Aber daß unser Geld vergammelt und verrottet, das hätt’s nicht gebraucht!«
    »Nicht

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