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Deutschland macht dicht (German Edition)

Deutschland macht dicht (German Edition)

Titel: Deutschland macht dicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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kurzem einem darüber recht überraschten jugendlichen Spötter und seinen Kumpanen an der Galluswarte mitgeteilt hatte.
    Stoffhase.
    Dichtmachen.
    Jesus.
    Damit war der Arbeitstag auch schon vorbei.

7.
Gewerkschaftsveranstaltung
     
    Viele Menschen standen unter bunten Regenschirmen. Ihre Mützen waren rot, ihre Schals rochen nach harmlosen Krankheiten. Über den Figuren hing ein suppig grau bewölkter Himmel.
    Die Menschen unter den Regenschirmen hofften auf einen Grund für ihr Hiersein. Bislang hatte sich keiner sehen lassen. Erst waren sie eine Weile zu bettelarmer Scheppermusik durch die große Stadt gezogen. Dann hatten sie sich auf dem unlustigsten Platz versammelt, den sie finden konnten. Einige trugen Transparente. Auf denen standen traurige Sachen: »Wir wollen Ausbildungsplätze« oder »Gesundheit ist keine Ware« oder »Menschen statt Profit«. Nachdem die Elenden einander ein paar Stunden lang auf kalten Füßen rumgestanden waren, lächelten viele ein bißchen schlafwandlerisch. Es war erst Nachmittag.
    Vorn stand ein Kerl von der Gewerkschaft am Mikrofon und teilte allen Anwesenden mit: »Leute! Hört mal, bitte! Wir wollen wieder wie früher, mit Tarif und schön!«
    Das war eine einfache Botschaft. Einige klatschten aus Mitleid, andere aus Bosheit: Geschieht dem recht, dachten sie entzündet, wenn wir hier auch noch klatschen, wo der schon so blöd daherredet.
    Der Redner räusperte sich, holte, was er für Luft hielt, und brüllte verklemmt: »Wir wollen nicht, daß die Arbeitsplätze gefährdet sind! Wir lassen uns das nicht direkt dauernd gefallen! Es wird vielleicht langsam bald einigermaßen anders, wir ziehen womöglich Saiten auf, mit denen vorläufig noch nicht gerechnet wurde!«
    »Genau!« stöhnten diejenigen unter seinen Anhängern, deren Anstecker den größten Durchmesser hatten.
    Fest eingewickelt in seine Melancholie saß während alledem auf einem Klappstuhl in seinemKellerloch der älteste Kommunist Deutschlands. Die Veranstaltung der Protestierenden zeigte ihm sein Fernseher. Er war diesem Fernseher böse deswegen.
    Streng klagte der Bestrafte auf dem Podium: »Wir wollen überhaupt nicht, daß die Stellen immer abgebaut werden. Wir wollen statt dessen, daß die Stellen wieder aufgebaut werden. Wir können heute sogar viel mehr streiken als früher! Das glauben einige nicht, die sagen: Wenn wir streiken, dann nehmen sie uns die Fabrik weg und tragen sie nach Tschechien. Da machen die Leute für viel weniger Geld und überhaupt keinen Tarif alles mit. Aber wir? Wir sind doch qualifiziert. Ich habe ein Argument. Ein Argument!«
    Alle freuten sich ängstlich über dieses Versprechen. Als die Freude versiegt war, wurde das Argument enthüllt: »Durch die größere Spezialisierung der Fabriken kann man heute, wenn man nur in einer Fabrik streikt, bei völlig anderen Fabriken alles lahmlegen, dann geht nichts mehr. Deshalb sind wir sehr mächtig. Glaubt ihr das? Ich wünsch mir so, daß ihr das glaubt. Wir könnten, das sage ich euch jetzt ohne Dämpfer, im Prinzip furchtbar die Arbeit niederlegen. Andererseits: Trotzdem sollten wir es nicht machen. Denn wir müssen auch mal unseren guten Willen zeigen. Wir zeigen unseren guten Willen. Macht ihr mit? Wir zeigen unseren guten Willen ab jetzt so deutlich wie noch nie! Das werden sie hinnehmen müssen. Da soll die Erde beben!«
    »Halleluja!« sangen die Entsetzten.
    Der älteste Kommunist Deutschlands vergrub sein schönes altes Gesicht in beiden Händen und machte mit den Lippen garstige Geräusche.
    »Wir sind doch auch nur Menschen!« schrie, auf mittlerer Stufe angewidert von sich selbst, der Gewerkschaftsredner.
    Einige unten weinten vor Langeweile.
    »Aber Klartext. Klartext, Brüder, Klartext! Außer Spesen nichts gewesen – die Bosse und dieManager wollen uns, ja, sie wollen den Kolleginnen und Kollegen nichts abgeben. Sie wollen eine Nullrunde. Aber wir wollen das nicht! Dieser Wille ist ein guter Wille. Ein guter Wille, den wir ihnen zeigen!«
    Die ersten Protestierenden fielen auseinander.
    Arme und Beine brachen ab. Köpfe rollten zwischen den Füßen derer herum, die noch aufrecht stehen konnten.
    Von der rechten Flanke, zum Kaufhaus hin, erschienen Affen und Tankdelphine, mit Knüppeln und Stinkbomben. Es war eine Streikbrecherbrigade. Der Anführer verlor die Kontrolle über seine Verwirrtheit und warf mit denkträgem Nichts nach Rosinen im Himmel: »Der Neolibolabismus ist eine Fata Morgana! Sie besteht aus leeren

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