Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
müssten die Geburtenziffern in Großbritannien und in den USA noch viel niedriger sein als bei uns, da es gerade in den Vereinigten Staaten nichts gibt, was man mit unserer »Familienpolitik« vergleichen könnte. In beiden Ländern bringen die gebildeten Schichten zudem erhebliche Summen für die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder auf, die in dem deutschen vorwiegend staatlich finanzierten System gar nicht anfallen, und sie tun dies ganz selbstverständlich. 59 Doch auch jene Industrieländer, die eine deutlich höhere Geburtenrate aufweisen als Deutschland - nämlich die USA, Großbritannien, Frankreich und die skandinavischen Länder -, haben eine gewisse dysgenisch wirkende Schieflage in der Geburtenstruktur: In jedem dieser Länder sind die gebildeten Schichten von unterdurchschnittlicher Fruchtbarkeit, jedoch ist die Abweichung vom Durchschnitt bei weitem nicht so krass wie in Deutschland, und das Geburtenniveau ist generell höher. 60
Will man die in den beiden geschilderten Falltypen zum Ausdruck kommenden Trends brechen oder umkehren, so bedarf es starker und mit Sicherheit kontrovers wirkender Mittel, also Mittel, denen starke politische Kontraindikationen innewohnen und die ihre Widerlegung quasi in sich selbst tragen. Eine Trendumkehr wird daher nur möglich sein, wenn eine gesellschaftliche Mehrheit der Überzeugung ist, dass gegen die politische und gesellschaftliche Priorität des Umlenkens keine vernünftigen Bedenken vorzubringen sind.
Die unterschiedlichen Gegenmaßnahmen werden hier unter
zwei Aspekten diskutiert: Was ist geeignet, die Geburtenrate zu heben, und was ist geeignet, eine dysgenisch wirkende Geburtenstruktur zu verhindern? Der ausschließliche Beurteilungsmaßstab ist dabei die Wirksamkeit der Maßnahmen und die ihnen zugrunde liegende pragmatische Vernunft. Sie werden nicht danach bewertet, ob sie deutschen verfassungsrechtlichen Grundsätzen genügen. Besteht der politische Wille, eine vernünftige Maßnahme durchzusetzen, so wird sich ein Weg finden, sie verfassungsgerecht zu gestalten - notfalls, indem man die Verfassung ändert.
Überlegungen zur Trendumkehr
Vom Paar zur Familie
Unsere Scheidungsraten werden niemals wieder jene des 19. Jahrhunderts sein, dazu ist die Lebenserwartung vielleicht auch zu hoch geworden. Andererseits kann man Zweifel hegen, ob es der familienpolitischen Weisheit letzter Schluss ist, dass im Bundesdurchschnitt 14 Prozent der Kinder - in den drei Stadtstaaten sind es sogar 27 Prozent - bei Alleinerziehenden aufwachsen, und das mit steigender Tendenz. 61
Es gibt eine große Schnittmenge von Unterschicht, Transferabhängigkeit und dem Status der(s) Alleinerziehenden. Das Transfersystem macht die Trennung leicht und für viele finanziell weitgehend sanktionsfrei, ja, es kann sogar finanziell unattraktiv sein, als Alleinerziehende(r) mit Kindern auf den Arbeitsmarkt zu streben. 62 Kinder gedeihen in einer nicht so gut funktionierenden vollständigen Familie aber oft besser als bei einem Elternteil, wo sie Partnerbindungs- und Partnerfindungsversuche miterleben. Da gesunde Kinder ziemlich viel aushalten, richten auch ungeordnete Familienverhältnisse in den meisten Fällen keinen allzu großen Schaden an, aber die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder beschneiden sie schon.
Die Menschen heiraten später, sie trennen sich häufiger, und sie bleiben weit öfter unverheiratet als früher. Auch wenn man die wachsende Zahl von Lebensgemeinschaften ohne Trauschein zu den
Ehen dazuzählt, ändert sich an diesem Bild nichts. Dies drückt die Geburtenrate und nimmt vielen Kindern die Möglichkeit, in einer vollständigen Familie mit Geschwistern aufzuwachsen. Die Statistik zeigt zudem, dass aus dauerhaften Partnerschaften häufiger und nicht selten auch mehr Kinder hervorgehen als aus kurzlebigen Beziehungen.
Was kann der Staat also tun, um die Neigung zu dauerhaften Partnerbindungen zu fördern? Das Grundgesetz stellt Ehe und Familie unter seinen besonderen Schutz. Dieser ist allerdings im Laufe der Jahrzehnte zur Leerformel geworden. Der einzige Sinn einer Privilegierung der Ehe besteht darin, sie als bevorzugten Ort der Zeugung und Erziehung von Kindern zu schützen. Wo Kinder nicht gezeugt werden können, ist die Privilegierung von Partnerschaften aber generell sinnlos. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind eine Angelegenheit sui generis und haben mit einer Ehe höchstens in dem Sinne zu tun, dass zwei Menschen zusammenleben und vielleicht auch
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