Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
ersten Kind zwar auch bis zum Ende der Ausbildung, aber diese ist eben weitaus eher beendet als in Deutschland. Und dann geht es wesentlich schneller: Die meisten Erstgeburten gibt es in den USA bei Frauen, die gerade ein »graduate or professional degree« abgeschlossen haben. Die weißen, nicht hispanischen Frauen gebären dort bis zum 40. Lebensjahr durchschnittlich 1,8, die Frauen mit Universitätsausbildung 1,7 Kinder, also kaum weniger als der Durchschnitt. Die meisten Gebärenden sind 20 bis 29 Jahre alt, 65 in Deutschland sind sie im Schnitt fünf Jahre älter, nämlich zwischen 26 und 34. Auch die amerikanischen Frauen verbinden Ausbildung und erstes Kind in rationaler Weise, aber sie warten nicht so lange, wenn die Ausbildung beendet ist. Das durchschnittliche Lebensalter, in dem die akademische Ausbildung in Deutschland abgeschlossen wird, muss sinken. Aber das allein wird die Zögerlichkeit, mit der akademisch gebildete Frauen in Deutschland Familien gründen, nicht beseitigen.
Elterngeld, Elternzeit
Das 1978 eingeführte Mutterschaftsgeld, das Erziehungsgeld (1986) sowie das Elterngeld (2006) sollen dazu beitragen, Kinder und Erwerbstätigkeit der Frau besser miteinander zu vereinbaren. Sie sehen eine Beurlaubung von der Arbeit für eine gewisse Zeit nach der Geburt vor und einen gewissen materiellen Ausgleich für den entgangenen Verdienst. Sehr erfreulich ist, dass die Elternzeit auch von einer wachsenden Zahl von Vätern in Anspruch genommen wird. 66 Eine Auswirkung auf die Geburtenrate ist statistisch allerdings nicht nachweisbar. Nicht ausschließen lassen sich allenfalls gewisse Vorzieheffekte. Herwig Birg hat nachgewiesen, dass das Erziehungsgeld einen solchen minimalen Effekt bei zweiten und dritten Kindern auslöste, aber keine messbaren Wirkungen bei Zahl und Zeitpunkt der Erstgeburten hatte. 67 Auch beim Elterngeld lässt sich der erhoffte Effekt auf die Gesamtzahl der Geburten bislang nicht beobachten, und es ist aus den bisherigen Daten nicht ersichtlich, dass die soziale Struktur der Elternschaft sich wie erhofft verbessert. Die Intention der Maßnahme wurde allerdings auch beschädigt, indem nicht erwerbstätigen Eltern oder Eltern mit niedrigem Einkommen ein Mindestsatz an Elterngeld zuerkannt wurde. Gleichwohl muss man weiterhin versuchen, die Fortpflanzungsbereitschaft erwerbstätiger Eltern durch geeignete Kombinationen von Freistellungsregeln und Lohnersatz anzuregen.
Anreize in der Rentenversicherung
Adenauers Ausspruch: »Kinder bekommen die Leute immer«, galt vielen 1958 als unwiderlegliches Substrat einer jahrtausendealten menschlichen Erfahrung. Adenauer hätte es besser wissen können, hätte er Gunnar Myrdals »Population. A Problem for Democracy« aus dem Jahre 1938 gelesen. Die Umstellung der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Umlageverfahren und damit die garantierte Teilnahme aller Rentner an der allgemeinen Entwicklung des Lebensstandards unabhängig davon, ob sie selbst Kinder hatten und wie viele, beraubte die Zeugung und Aufzucht von Kindern um ein weiteres rationales Motiv: Wer Kinder aufzog, hatte künftig materielle
Nachteile durch die entstandenen Kosten und Mühen und die entgangenen Verdienstmöglichkeiten, er hatte aber keine Vorteile mehr bei seiner Altersversorgung, die war nämlich kinderunabhängig. Viele glauben, dass dies den Geburtenrückgang seit Mitte der 1960er Jahre maßgeblich beeinflusst hat. Das mag hinsichtlich des Ausmaßes gerade in Deutschland so sein. Geburtenrückgang gab es allerdings auch in anderen Ländern mit vergleichbarem Entwicklungsstand, die keine so üppige kinderunabhängige Altersversorgung hatten.
Denkbar wäre es, die Beitragslast, deren Höhe durch die Zahl der jeweils gerade zu versorgenden Rentner beeinflusst wird, so umzuschichten, dass Menschen mit Kindern deutlich weniger und Menschen ohne Kinder deutlich mehr zahlen. Wäre die Differenz groß, hätte dies sicherlich auch eine Lenkungswirkung. Zu fragen ist, ob dann diejenigen, die bereits Kinder haben, veranlasst würden, noch mehr Kinder zu bekommen, und diejenigen, die (noch) keine haben, dies als Anreiz empfinden, welche zu bekommen. Tut man nicht genug, bleibt die Maßnahme wirkungslos. Übertreibt man, könnten gerade die Jungen und Beweglichen zu Ausweichmanövern veranlasst werden, etwa indem sie ins Ausland gehen. Für jene nämlich, die höhere Beiträge zahlen müssen, würde das heute schon krasse Missverhältnis in der Rentenversicherung
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