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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Sarrazin
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zwischen Leistung und Gegenleistung noch krasser werden
     
    Kindergeld, Sozialgeld
    In den USA gibt es keinen Familienlastenausgleich in unserem Sinne und auch keine Familienpolitik. Zwar werden dort 25 Prozent der Kinder von Müttern geboren, die nach dem Konzept der relativen Armut in Armut leben. Aber nur 6,4 Prozent der Frauen, die ein Kind bekommen, leben von öffentlicher Unterstützung. 68 Die 1996 durchgeführte Reform des Welfare-Systems 69 räumte den Staaten beträchtliche Möglichkeiten zur eigenen Gestaltung ein. Vielfach herrschte dabei der Wunsch vor, die Geburtenraten der »Welfare Mothers« zu senken und die Welfare-Karrieren generell einzuschränken. Das ist offenbar gelungen (allerdings haben jene Frauen,
die immer noch Geldleistungen aus dem Welfare-System bekommen, eine dreimal so hohe Geburtenrate wie der nationale Durchschnitt).
    Auch als Folge dieser Reform ist in den USA die Disparität in der Geburtenhäufigkeit nach dem Bildungsstand niedriger als bei uns. Frauen mit Universitätsabschluss bekommen durchschnittlich ebenfalls 1,6 bis 1,7 Kinder. 27 Prozent von ihnen bleiben kinderlos 70 gegenüber 40 Prozent in Deutschland. Auf die 7,2 Prozent der Frauen mit Universitätsabschluss im gebärfähigen Alter entfallen immerhin 8,7 Prozent der Geburten. Bei den Frauen ohne Schulabschluss liegt die Geburtenrate über dem Durchschnitt. Diese Gruppe umfasst 19 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter und erreicht einen Anteil von 23 Prozen an den Geburten. Stark vereinfacht kann man sagen: Die USA betreiben keine allgemeine Familienförderung, für die in Deutschland Maßnahmen wie das Kindergeld oder der Familienlastenausgleich stehen. Sie haben gleichwohl deutlich höhere Geburtenraten, die in Abhängigkeit vom Bildungsstand wesentlich weniger streuen. Im klaren Gegensatz zur deutschen Politik wird eine überdurchschnittliche Häufigkeit von Unterschichtgeburten dadurch verhindert, dass die meisten Mütter mit niedrigem Einkommen in aller Regel keine Geldleistungen des Welfare-Systems erhalten.
    Deutschland wendet im Jahr 37 Milliarden Euro für Kindergeld auf. 71 Das sind aber nicht die wirklichen Nettokosten. Würde man - rein fiktiv - das Kindergeld ganz entfallen lassen, so würde ein zusätzlicher Steuerausfall für Kinderfreibeträge von 19,5 Milliarden Euro entstehen. Die Nettosumme des deutschen Kindergeldes liegt also bei rund 17,5 Milliarden Euro. 72 Für Kinder von Empfängern der Grundsicherung gibt es in Form von Zuschüssen für die Kosten der Unterkunft und Sozialgeld eine höhere Erstattung, als es dem reinen Kindergeld entspricht. In der Summe wird in der Grundsicherung für jedes Kind ein Betrag von 322 Euro netto angesetzt (siehe Tabelle 4.1 , Seite 107). Ein arbeitsloses Ehepaar mit fünf Kindern erreicht so ein Nettoeinkommen von 2700 Euro, mit ein wenig Schwarzarbeit zusätzlich kommen leicht 3500 Euro und mehr zusammen.

    Interessant ist es, die Höhe des Kindergeldes und der Bedarfssätze für Kinder in der Grundsicherung mit den tatsächlichen Ausgaben der Familien zu vergleichen: 73
    • Das Kindergeld für das erste und zweite Kind beträgt monatlich je 185 Euro, für zwei Kinder sind das also 370 Euro. Der Mehrbetrag in der Grundsicherung für ein Kind beträgt 322 Euro, für zwei Kinder also 644 Euro.
    • Ein Paar ohne Kinder hat in Deutschland durchschnittliche monatliche Konsumausgaben von 2398 Euro, die Konsumausgaben eines Paares mit Kind(ern) betragen 2820 Euro, sind also 422 Euro monatlich höher. Durchschnittlich leben in einem Haushalt mit Kindern zwei Kinder, das ist nach wie vor die übliche Familiengröße, sofern überhaupt Kinder vorhanden sind.
    • Haushalte mit vier Personen (dies müssen keine Kinder sein) geben durchschnittlich 2964 Euro aus, also 566 Euro mehr als ein Paar.
    In der Grundsicherung für Kinder ist also ein Differenzbetrag vorgesehen, der über den Mehrausgaben liegt, die alle deutschen Haushalte für Kinder durchschnittlich aufwenden. Man kann für seine Kinder aber durchaus auch weniger ausgeben als der Durchschnitt, ohne dass diese hungern müssten. Das heißt letztlich, dass der Empfänger von Transferleistungen seinen Lebensstandard erhöhen kann, indem er Kinder bekommt. Damit ist die natürliche Ordnung der Welt auf den Kopf gestellt. Allein das Kindergeld ist heute schon so hoch, dass es die durchschnittlichen Mehrausgaben für Kinder nahezu abdeckt, bei kleineren Kindern sogar mehr als das.
    Mit anderen Worten: Kinder und

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