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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Sarrazin
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sexuelle Beziehungen haben. Kinder, um die es beim Schutz der Ehe ganz wesentlich geht, sind hier allerdings nicht zu erwarten. Der Sinn der Privilegierung der Ehe war es, dafür einen staatlich geschützten Raum zu erzeugen.
    Nachdem die familien-, unterhalts- und erbrechtlichen Vorteile der Ehe und der aus ihr hervorgehenden Kinder weitgehend beseitigt worden sind, ist von der Privilegierung nur eine leere Hülse geblieben. Das soll hier nicht beklagt werden, es liegt eine gesellschaftspolitische Logik darin, aber es ist doch festzustellen, dass damit der ehelichen Bindung und somit der dauerhaften Partnerschaft jeglicher institutioneller Reiz genommen wurde.
    Wenn man davon ausgeht, dass möglichst viele dauerhafte Partnerschaften von Männern und Frauen erstens die potentielle Zahl der Kinder erhöhen und zweitens die beste Voraussetzung für deren Gedeihen und gute Erziehung sind, dann sollte man die Attraktivität und die gesellschaftliche Wertschätzung dauerhafter Partnerschaften so stützen und fördern, dass dies auch das gesellschaftliche Klima beeinflusst. Menschen glauben zwar immer, sie agierten vorrangig aus individuellen Antrieben und eigener Entscheidung, in
Wahrheit reagieren sie aber zu großen Teilen vorrangig auf die Erwartungen der Gesellschaft und folgen diesen gerne, solange das nicht ihren Instinkten widerspricht oder unmittelbare Nachteile mit sich bringt.
    Wie man ein gesellschaftliches Klima, das dauerhafte Partnerschaften zwischen Männern und Frauen besonders wertschätzt, schafft und erhält, ist eine Frage mit vielen Facetten. Auf jeden Fall muss der Eindruck vermieden werden, jede Form von sozialer Organisation habe für die Gesellschaft denselben Wert. 63
     
    Betreuungsangebote, Ganztagsschulen
    Die klassische Arbeitsteilung - der Mann ist der Ernährer, die Frau kümmert sich um den Haushalt - hat sich als dominierendes Rollenmodell überlebt, und damit wird ein qualitativ hochwertiges, möglichst ganztägiges Betreuungsangebot - auf Wunsch vom Krippenalter an - zur ehernen Voraussetzung für jede moderne Familienpolitik. Jene europäischen Länder, die solch ein Betreuungsangebot traditionell vorhalten oder in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben, etwa Frankreich oder Skandinavien, haben nicht so extrem niedrige Geburtenraten, wie sie gegenwärtig in Südeuropa zu verzeichnen sind. In den USA lässt sich beobachten, dass in Staaten mit mehr Betreuungsangeboten mehr Frauen erwerbstätig sind, ohne dass die Geburtenhäufigkeit dadurch beeinträchtigt wird. In Ostdeutschland hat das sehr gute frühkindliche Betreuungsangebot das Absacken der Geburtenrate auf westdeutsches Niveau dagegen nicht verhindern können. Das mag an den spezifischen Bedingungen des ostdeutschen Arbeitsmarktes liegen. In den ostdeutschen Ländern stehen für 41 Prozent der Kleinkinder unter drei Jahren Plätze in Krippen oder bei Tagesmüttern zur Verfügung, in Westdeutschland liegt der Anteil erst bei 9,9 Prozent. 64 Hier muss man noch einen weiten Weg gehen, bis das Betreuungsangebot bedarfsgerecht ausgebaut ist. Bei Kindergärten müsste vor allem der Anteil der Ganztagsbetreuung ausgebaut werden, denn nur dann wird, wenn man Rüstund Wegezeiten einrechnet, eine Erwerbstätigkeit der Mutter - auch eine Teilzeittätigkeit - erst wirklich möglich.

    Im Schulsystem ist eine flächendeckende Umstellung auf Ganztagsschulen nach angelsächsischem oder französischem Muster notwendig. Es kann nicht darum gehen, die Kinder am Nachmittag in einem Hort zu betreuen, vielmehr müssen Schüler jeden Alters grundsätzlich von acht Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags in der Schule sein. Letztlich muss jedes Kind in jedem Alter während der normalen Arbeitszeit an Werktagen verlässlich betreut werden, falls die Eltern dies wünschen. Wenn diese Zeit für eine vernünftige Erziehung, Bildungsangebote und konkrete Anforderungen an die Kinder genutzt wird, ist dies der beste Beitrag zur Chancengleichheit für die Kinder aus den unteren Schichten.
    Ausbildungsdauer , Karrieremuster
    Die in Deutschland üblichen langen Ausbildungszeiten tragen dazu bei, dass Frauen mit hoher Bildung das erste Kind besonders spät bekommen, falls sie nicht ohnehin kinderlos bleiben. Es scheint aber auch soziologisch bedingt, dass man sich in Deutschland mit dem ersten Kind Zeit lässt, bis die wesentlichen Dinge im Leben ausreichend geregelt sind. In den USA herrscht offenbar eine andere Mentalität vor. Dort warten die Frauen mit dem

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