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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Sarrazin
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insbesondere viele Kinder machen es der Unterschicht leichter, das Leben ohne reguläre Arbeit recht angenehm zu gestalten, denn die Geldleistungen für Kinder können als »Deckungsbeitrag« für den Lebensstandard der Erwachsenen zweckentfremdet werden. Diese leider vielfach zu beobachtende Praxis lässt sich unterbinden, indem man die Bedarfssätze für Kinder im System der Grundsicherung senkt und die so eingesparten
Gelder in die Ganztagsbetreuung und in Mahlzeiten in Schule und Kindergarten investiert. Die Einführung von Schuluniformen könnte zudem die Kosten für Bekleidung senken. Den Kindern wäre damit mehr gedient.
    In gesunden Lebenszusammenhängen ist es normal, dass der Lebensstandard und die Konsummöglichkeiten von Erwachsenen sinken, wenn sie von ihrem Einkommen auch Kinder zu versorgen haben. Diese Normalität muss grundsätzlich auch für Eltern gelten, die Grundsicherung beziehen, ansonsten entstehen falsche Anreizstrukturen, was sich in der überdurchschnittlichen Geburtenrate dieser Personengruppe widerspiegelt.
    Auch für das einkommensunabhängige Kindergeld in Deutschland gilt: Wenn überhaupt, dann entfaltet es Anreizwirkungen im Bereich niedriger Einkommen und damit bei den Falschen. Besser wäre es, gezielt jene Eltern zu entlasten, die ihren Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit verdienen. Dazu eignen sich steuerliche Freibeträge, aber auch Freibeträge, Zuschüsse oder anderweitige Entlastungen bei den Beiträgen der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung.
    Das Ziel aller Maßnahmen muss sein: Wer seinen Lebensunterhalt durch Arbeit verdient, soll durch Kinder nicht in Armut geraten. Wer aber vom Staat alimentiert wird, soll nicht dazu verführt werden, diese Unterstüzung durch Kinder zu erhöhen.
    Im deutschen System erhalten Familien mit niedrigem oder gar keinem Einkommen Prämien für ihre Kinder. Insoweit ist die soziale Schieflage in der deutschen Geburtenstruktur nicht verwunderlich. Die USA haben längst etwas gegen die hohe Zahl der Unterschichtgeburten in ihrem Land unternommen - mit Erfolg: Am 22. August 1996 unterschrieb Präsident Clinton den »Personal Responsibility and Work Opportunity Reconciliation Act«. Damit war die einfache Möglichkeit unterbunden, durch Kinder an Welfare-Zahlungen zu kommen. Bill Clinton musste sich dafür vielfach als Rassist beschimpfen lassen, denn unter den kinderreichen »Welfare Mothers« waren Schwarze und auch Hispanics weit überdurchschnittlich vertreten. 74

    Besteuerung der Familien
    Das deutsche Steuerrecht kennt das Ehegattensplitting. Das heißt, Ehegatten werden auf Wunsch zusammen veranlagt, und die Steuer wird so ermittelt, als hätten beide jeweils das gleiche Einkommen erhalten. Dies senkt die Steuerbelastung. Das Ehegattensplitting wurde immer wieder mit der Begründung bekämpft, dass es die »Hausfrauenehe« begünstige. Tatsächlich begünstigt es die Fälle, in denen das Einkommen der Partner sehr unterschiedlich ist, meist sind das Paare mit Kindern. Zumindest in der heutigen Lebenswirklichkeit üben die Frauen durchweg eine Vollzeittätigkeit aus, solange sie (noch) kinderlos sind, und so lange sind sie durch das Ehegattensplitting auch nicht wesentlich begünstigt. Neben der Begünstigung der »Hausfrauenehe« stößt der Umstand auf Missfallen, dass der Splittingvorteil mit der Steuerprogression steigt. Das ist die sytemimmanente Kehrseite des progressiven Steuertarifs.
    Die mit dem Einkommen steigende Entlastungswirkung war auch stets der Haupteinwand gegen steuerliche Kinderfreibeträge, weil doch dem Staat jedes Kind unabhängig vom Einkommen der Eltern »gleich viel« wert sein sollte. Es gab mehrfach politische Anläufe, die Freibeträge zugunsten des Kindergeldes ganz abzuschaffen. Das scheiterte mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998, wonach die Freibeträge für den Steuerpflichtigen und seinen Ehepartner wie auch die Freibeträge für die Kinder mindestens das soziale Existenzminimum abdecken müssen. 75 Den Ausweg zur Gleichschaltung mittels Kindergeld fand man, indem man das einkommensunabhängige Kindergeld so hoch ansetzte, dass es für 95 Prozent der Bevölkerung günstiger ist als der Freibetrag. Für 2010 bedeutet das beispielsweise, dass der Freibetrag für das erste und zweite Kind erst bei einem Grenzsteuersatz von 31,5 Prozent Wirkung entfaltet. 76 Eine Familie mit zwei Kindern hat bis zu einem Monatseinkommen von 3600 Euro überhaupt keine Steuerbelastung, wenn man

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