Deutschlandflug
senkrecht in die Höhe gestreckt, das linke ein wenig mehr angewinkelt und abgespreizt.
Seltsam, dachte er. Strümpfe und Hüftgürtel sind seit einem Jahrzehnt fast passé. Aber in der Pornographie führen sie ein nostalgisches Dasein.
Der Instrukteur verabschiedete sich mit einem neuen Scherzdia: der gleiche Kapitän, der gleiche rauchende Trümmerhaufen. Er ist der erfahrenste Kapitän der Welt. Er hat soeben eine neue Erfahrung gemacht. Damit hätte die ganze Teheran-Einweisung zwar nicht in Wohlgefallen, aber wenigstens noch mit einem verzeihenden Schulterzucken enden können. Aber schon wieder war die gleiche schwüle Bluesmusik da, die ihn zwang, mit Widerwillen auf die reichhaltige folgende Diaserie zu starren.
Bild 1) Ein Kapitän, vier Streifen, Phantasieuniform. Eine Stewardeß, überdurchschnittlich entwickelte Brüste, Phantasieuniform. Ein Hotelzimmer. Eine Couch.
Bild 2) Die Stewardeß trägt nur noch ihre Bluse vorschriftsmäßig. Darunter: Hüftgürtel, Slip, Nylonstrümpfe, wie gehabt. Die Strümpfe dieses Mal in Cognacbraun, das verstärkte, abgesetzte Oberteil in Umbra. Der Kapitän nach wie vor vorschriftsmäßig, aber mit einer Peitsche in der Hand, drohend.
Bild 3) Der Kapitän, obwohl noch immer vorschriftsmäßig gekleidet, legt die Stewardeß übers Knie, greift mit der rechten, offenbar geübten Hand in ihren (pastellblauen) Slip, zieht ihn so weit herab, daß ihr mondblasses Gesäß offen unter seiner Peitsche liegt und zieht ihr dann Bild 4) einige tüchtige, fachmännische Hiebe über die nur leicht gebräunte Haut. Ein im Pseudoschrecken weit aufgerissener Mund mit feuchten, sinnlichrot geschminkten Lippen.
Bild 5), 6), 7) und 8) Szenen auf dem Bett (ein schwülstiges Hitsaxophon röhrt wie einst Earl Bostic in Flamingo). Die Stewardeß, jetzt nur noch in bezug auf ihr Käppi korrekt im Sinne der Dienstvorschrift gekleidet, scheint einen stummen Schrei auszustoßen, während ihr Kapitän, noch immer einwandfrei bis zu den glanzlackierten Schuhspitzen hinunter, ihr absolut nacktes Gesäß strafend traktiert.
Bloch fand diesen Marquis-de-Sade-Pervertismus, diese sich stramm spannenden Lastexhüfthalter und überquellenden BHs widerlich. Nachdem das letzte Dia das eindeutig letzte war, schaltete er resolut aus – angewidert.
Licht, endlich Licht! Er machte sich die Mühe, alle fehlgesteckten Dias aus der Teheran-Einweisung zu entfernen, hielt einige nochmals aufseufzend gegen die Lampe, um ganz sicher zu sein, und steckte endlich alle corpi delicti in eine Dienstposttüte, von denen er immer mehrere bei sich trug. Er adressierte seine Sendung an RSPE, was Rhein-Spessart-Platzeinweisung bedeutete; und er schrieb dazu: Herrn K. Mengelmann persönlich. Persönlich unterstrichen. Dazu eine kurze Notiz: Am 15. Mai in der Einweisungskassette für Teheran gefunden.
Waren noch andere Kassetten betroffen? Verseucht durch Pornographie? Es war Mengelmanns Aufgabe, für die Reinhaltung des kostbaren Informationsmaterials zu sorgen! Bloch war kein Kostverächter, für einen guten Männerwitz hatte er immer ein Ohr; und wenn er an seine Offizierszeit bei der guten alten deutschen Luftwaffe dachte … Und an die Herrenabende nach den Lehrgängen bei der neuen deutschen ›Avitour‹ … Aber Dienst war Dienst, und Schnaps war Schnaps.
Als er seine absolvierte Einweisung durch Unterschrift bestätigte, entdeckte er unter dem Schnellhefter ein offenbar liegengelassenes Buch: Mitscherlich, Die Unfähigkeit, zu trauern. Kein Besitzername. Bloch war von einem tiefen, gesunden Mißtrauen gegen alles Geistige beseelt. Nicht, daß er keine Bücher las: Er war für knappe, präzise Information; und er ließ sich gern informieren, vorausgesetzt, der Autor war kein Spinner. Der Belletristik war er nicht grundsätzlich abhold – er las gern Krimis. Science-Fiction. Stanislav Lem zum Beispiel. Der hatte, obwohl Pole, was auf dem Kasten! Gleichzeitig wurde man sachlich informiert, prima!
Als er oben im Büro den Schlüssel abgab, legte er auch den Mitscherlich auf den Tisch, blätterte ihn noch einmal mißtrauisch durch. Seine Jugendeindrücke hatte er in bezug auf Sachbücher in den Kasinobüchereien der Fliegerhorste gesammelt: Hans Grimm, Volk ohne Raum. So etwas Klares, Überzeugendes gab es heute nicht mehr. Alles war unterwandert von extremistischen Kräften. Bolschewisten. Päderasten. Homos. Hippies. Jusos! Wie seine Teheran-Kassette …
»Was soll ich nun damit?« fragte der
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