Deutschlandflug
Brüste ohne Kommentar. Vollkommen. (Nur seine Hand nicht; die ist, bei aller sonstigen Größe, zu klein dafür.)
Einmal, auf einer stinkfeinen Party eines nicht weniger stinkfeinen Konsuls (Heino Graf von Trutzheim) über ihre Meinung zur vollkommenen Ehe befragt, offenbarte sie den atemlos Lauschenden: »Eine vollkommene Ehe: Das ist, wenn die Hand des Mannes haargenau die Brust seiner Frau umschließt.«
Es war die letzte Party zu Repräsentationszwecken, die er mit ihr besuchte.
Gundolf verfolgte mit dem Feldstecher die beiden Piloten, die an ihre Maschine gingen: Bloch riesig und aufrecht wie eine deutsche Eiche, Mahlberg unscheinbar und wie zusammengesunken unter dem Gewicht seiner Diensttasche. Bloch trug die gleiche Tasche, als sei sie mit Luft gefüllt. Dabei hatte er mindestens genauso viele Route-Manuals, Betriebsvorschriften, Anflug- und Luftstraßenkarten, Schreibblocks und Schnellhefter darin wie sein Copilot. Man sah Mahlberg nicht an, daß er auf dem Weg ins Urlaubsparadies der Bermudas war.
An Bord angekommen, stellten die beiden Piloten ihre Taschen neben ihren Sitzen ab. Alle ›Avitour‹- Bordtaschen waren so gearbeitet, daß sie durch Anheben des Deckels von oben zugänglich waren, so daß sich leicht die durch Trennwände geordneten Bände herausziehen ließen.
Beide Piloten überprüften die Sicherheitsgeräte im Cockpit: Schwimmwesten, Sauerstoffmasken, Feuerlöscher, Taschenlampen, Notbeil, Lungenatemgerät, Notausstiegsseile. Mahlberg checkte die Geräte des Bordingenieurs mit, der draußen mit den Außenchecks beschäftigt war.
Nur ein Teil der Emergency-Ausrüstung war für die Piloten sichtbar. Schwimmwesten, Notrutschen ließen sich nur durch heraushängende Anzeigemarken oder Sichtfenster kontrollieren. Ein Notsender, der bei einer Notwasserung automatisch Peilzeichen gab, hing unsichtbar zu Blochs Füßen unter dem mit PVC verkleideten Cockpitboden, ein zweiter, ins Boot mitzunehmender Notsender direkt an der Bordwand hinter Blochs Kopf. Er verzichtete nie darauf, seine Halterung zu überprüfen, nachdem ihm einmal nach dem Bremsen der schwere Stahlzylinder eines mangelhaft verriegelten Sauerstoffgeräts in den Nacken geschlagen war.
Bevor die Piloten mit den Checks ihrer Instrumente begannen, zogen beide ihre Jacken aus. Wie immer fiel bei Mahlberg dabei Kritik an den schäbigen Sparmaßnahmen der Firma ab: ein Riesenjumbo, aber im Cockpit nicht ausreichend Platz, die Jacken von drei Besatzungsmitgliedern ordentlich zu verstauen.
»Ein richtiger Armeleuteflieger!« sagte Mahlberg und schnallte sich seufzend fest.
Bloch zeichnete das Bordbuch ab. Mahlberg dachte: Wie einen Akt der Gnade vollzieht er das!
Als Bloch die ›Steppenadler‹ mit einem Anstellwinkel von 15 Grad von der Piste hob, flackerten die Hochnebelfelder rostrot vor der steigenden Sonne. Dann, während das Flugzeug nach Süden auf Kurs ging, brach jäh der klare, stahlblaue Himmel durch.
»Abgehoben um 11 Uhr 50!« kommentierte Allermann in der Zentrale.
»Voraussichtliche Ankunftszeit Bermuda 19 Uhr!« ergänzte Gundolf prompt.
Eines der zahlreichen Telefone läutete. Ulla Voorst, die weibliche Gehilfin der FDZ, nahm ab, sah Gundolf an:
»Quandtchen am Apparat. Für den Chef!«
»Alles okay mit der Zweitausend?« fragte der Direktor der ›Avitour‹.
»Sie war airborne um elf fünfzig!« sagte Gundolf.
»Fein!« sagte Quandt. »Das war es dann wohl …«
»… war dann wohl was?«
»Diese alberne Bombenwarnung. Die können wir jetzt vergessen!«
»Ich habe auf dem Nebenapparat mitgehört. Keine Bombe entdeckt worden!«
»Genau, Gundolf. Vergessen wir es also!«
»Ja«, bestätigte der Leiter der FDZ. »Vergessen wir es!«
Aber als er aufgelegt hatte, vergaß er den Bombenalarm keinesfalls.
Im Gegenteil: Er erinnerte sich plötzlich einer Tatsache, die wichtiger als alles war, was er heute morgen erfahren hatte! Wie hatte er sie nur im chaotischen Durcheinander dieses ersten Morgens auf dem neuen Flughafen vergessen können!
5
»Wie wollen wir denn in Zukunft unser neues Passagiervereinnahme- und ausstoßsystem nennen? Otto-Lilienthal-Platz, das ist nun wirklich zu lang in unserem Jetzeitalter!«
Ulla Voorst war brünett, schlank und aktiv. Sie sorgte dafür, daß die Atmosphäre in ihrer Gruppe nie muffelig wurde. Sie erledigte hauptsächlich Sekretärinnenaufgaben und hatte sich einen Jux daraus gemacht, den Farbfernseher, das einzige elektronische Gerät, das einwandfrei
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