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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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funktionierte, auf tiefrote Farben einzuregulieren. Dadurch erschienen die Gesichter der einweisenden Politiker dunkelrot vor Zorn oder Erregung.
    Sie besaß einen großen, aber weichen Mund, und ihre braunen, leicht schräggeneigten Augen funkelten stets temperamentvoll. Aber als sie den Anruf Quandts entgegengenommen, die böse Nachricht notiert hatte, schienen sie zum erstenmal erloschen. Sie war gerade dreiundzwanzig geworden; und niemand aus der Belegschaft der Zentrale hatte jemals so viele Glückwünsche und Geschenke erhalten. Sie war, wie jeder wußte, in festen Händen: ein schmalschultriger, blaßäugiger Medizinstudent im dritten oder vierten Semester holte sie gelegentlich in einem alten Opel Rekord ab. Viel zu hübsch für ihn und mindestens genauso gescheit, lautete das gemeinsame Urteil der FDZ. Niemand konnte sich beschweren – sie flirtete mit jedermann gern und gleichermaßen, bis zu einer exakten Grenze. Im übrigen war sie der gute Geist, der stets im rechten Augenblick für die richtige Bemerkung, die richtige Aufmunterung sorgte. Wesentlicher als ihre Verdienste an Schreibmaschine und Fernschreiber waren die an der belegschaftseigenen Kaffeemaschine: Sie konnte aus einem simplen Kaffeegebräu wahre gastronomische Kunstwerke schaffen.
    Zur Feier des Tages hatte sie einen kanariengelben Hosenanzug angezogen, betont leger geschnitten, trotzdem ihre ansehnlichen Formen betonend. Zu der knalligen Popfarbe kontrastierte ihr dunkles Haar aufs vorzüglichste. Ulla Voorst stand dem Riesenaufgebot an Technik mit der Naivität eines Kindes gegenüber – und meisterte sie dadurch am besten. Sie behandelte ihren Fernschreiber, die Galerie der Telefone, Interphonanlagen, Fernsehmonitoren und den Computer, als streichle sie eine neurotische Wildkatze, der man gut zureden müsse.
    An diesem festlichen Morgen, an dem außer den Eröffnungsreden nicht allzuviel funktionierte, hatte sie ihren brandneuen Siemens -›Telex‹- Schreiber mit einem Schild behängt:
    ›Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts funktioniert. Praxis ist, wenn alles funktioniert, und niemand weiß, weshalb.‹
    Als gleich bei der Inbetriebnahme drei Tasten ihres Fernschreibers versagten, versetzte sie ihm eine gelinde Ohrfeige und sprach ihm zu: »Ich weiß, daß dich deine Homotrone quälen wie Hämorrhoiden; aber denk mal an mich: Ich soll hier diese Message in Rotchinesisch absetzen, die muß in 22 Sekunden in Aleppo ankommen – also reiß dich am Riemen; und heute abend reden wir mal in Ruhe über deine Wehwehchen!«
    Was das seien: Homotrone, wollte Allermann wissen.
    Kleine grüne Männchen, die ihre Finger zwischen Schreibmaschinentasten hielten, so daß sie klemmten. Und wenn man die Frankfurter Vorwahlnummer 0611 wählte, sorgten sie dafür, daß 06103 ankam – und das war Sprendlingen. Oder man schaltete sich die Arbeitslampe über dem neuen plastikeichenen Schreibtisch ein, und am Fenster rasselten die Rollos herunter.
    Oder man besucht die neue vollelektronische Toilette, sagte Allermann, und zieht und siehe: Köstlicher Champagner sprudelt ins Becken!
    Aber das war noch, bevor er wirklich mit seinem Chef zum erstenmal im neuen Gebäude seinen Bedürfnissen nachging … Nur so schützte sich Ulla Voorst gegen eine technische Gigantomanie, die ihr die Kehle zuzuschnüren drohte.
    »Hör mal, Kompu!« sagte sie zu dem ›IBM‹- Rechner, der ihr unmögliche Daten für die Flugplanung ausspuckte. »Jetzt reiß dich zusammen, aktiviere deine grauen Zellen und verrate mir rasch, wieviel dreimal zweiundzwanzig ist, dann lade ich dich heute abend auch zu einem Drink auf meiner sturmfreien Bude ein!«
    Und der Computer reagierte, und Ulla Voorst streichelte ihm zart über die angestaubte Tastatur. Kunststoff zog Staubteilchen an; gegen diese elektrostatische Aufladung, die jeden Plattenfan auf die Palme trieb, waren die Götter der futuristischen Technologie machtlos.
    Sie gehörte mit Gundolf und Allermann zum ersten FDZ-Team, das im neuen Flughafen arbeitete. Die Westfront des Raums bestand aus kupferverspiegeltem Glas. Ein sinnloser Kostenaufwand, da wegen der hohen Lage auf dem Dach der ›Avitour‹ ohnehin nur jemand, wie Gundolf sich ausdrückte, von einem tieffliegenden Flugzeug aus hätte hineinsehen können.
    Vor dieser Glaswand stand Gundolfs Arbeitstisch mit einem elektrisch verstellbaren Sessel. Die Südwand war behängt mit elektronisch schaltbaren Informationstafeln, auf denen alle ›Avitour‹ -Flüge

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