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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Zweifel an ihr nagte, deshalb setzte ich nach. »Samantha, was immer du willst, du hast nicht das Recht, mich mit hineinzuziehen.«
    Meine Predigt kam mir bemerkenswert scheinheilig vor, doch immerhin stand schrecklich viel auf dem Spiel, und außerdem war ich ohnehin mein ganzes erwachsenes Leben ein Heuchler gewesen.
    »Aber – aber … ich will doch«, stammelte sie. »Ich meine, immer schon …«
    »Willst du es so sehr, dass du mich umbringen lässt?«, fragte ich. »Das tust du nämlich!«
    Sie sah mich an und dann rasch wieder weg. »Nein«, antwortete sie. »Aber …«
    »Genau: Aber! Denn wenn ich nicht an den Typen vorbeikomme, die dich füttern, bin ich tot, und das weißt du.«
    »Ich kann das einfach nicht aufgeben«, klagte sie.
    »Das musst du auch nicht«, versicherte ich, und sie sah mich aufmerksam an. »Du musst mich einfach nur entkommen lassen, du kannst ja hierbleiben.«
    Sie kaute ein paar Sekunden auf der Unterlippe. »Ich weiß nicht. Ich meine, wie kann ich dir vertrauen, dass du nicht …, du weißt schon … die Bullen rufst und dann mit ihnen zurückkommst, um mich rauszuholen?«
    »Bis ich mit den Bullen wieder hier bin, haben sie dich längst woanders hingebracht«, versicherte ich.
    »Stimmt«, sagte sie langsam nickend. »Aber woher weiß ich, dass du mich nicht irgendwie mit rauszerrst, um mich vor mir selbst zu schützen oder so?«
    Ich ließ mich vor ihr auf ein Knie nieder. Melodramatisch, gewiss, aber sie war ein Teenager, weshalb ich überzeugt war, dass sie es schlucken würde. »Samantha. Du musst nichts anderes tun, als mir einen Versuch zu gestatten. Tu nichts, und ich werde nicht versuchen, dich gegen deinen Willen zu befreien. Du hast mein feierliches Ehrenwort.« Weder setzten Blitz und Donner ein, noch vernahm man den Klang entfernten Gelächters, und trotz meiner in letzter Zeit geradezu epidemisch auftretenden Anfälle von schlechtem Gewissen verspürte ich nicht die geringste Scham. Ich glaube, ich war sehr überzeugend. Ehrlich gesagt war es vermutlich die Vorstellung meines Lebens – selbstverständlich meinte ich kein Wort ehrlich, aber unter den gegebenen Umständen hätte ich ihr frohen Herzens einen Flug in meiner fliegenden Untertasse versprochen, wenn mir das zur Flucht verholfen hätte.
    Samantha wirkte mittlerweile mehr als halb überzeugt. »Tja – ich weiß nicht. Ich mein, wie denn? Ich sitz einfach hier und halte den Mund? Das ist alles?«
    »Das ist alles«, bestätigte ich. Ich ergriff ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. »Bitte, Samantha«, bat ich. »Für Lily Anne.« Vollkommen schamlos, gewiss, aber zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass es mein Ernst war … Schlimmer noch, ich spürte, wie sich Flüssigkeit in meinen Augenwinkeln sammelte. Vielleicht war es einfach ein Method-Acting-Moment, aber dadurch wurde meine Sehfähigkeit eingeschränkt, und das war extrem unangenehm.
    Und anscheinend extrem effizient. »Also gut«, sagte sie und drückte tatsächlich meine Hand. »Ich werde nichts sagen.«
    Ich erwiderte den Druck. »Danke. Lily Anne dankt dir.« Auch dies war womöglich ein wenig dick aufgetragen, aber es gab so wenige Anleitungen für Situationen wie diese. Ich stand auf und ergriff meine Brechstange. Wenig, aber besser als gar nichts. Ich trat an die Tür und versuchte, mich neben den Rahmen zu quetschen, wo ich nicht zu sehen war, falls jemand zuerst durch die kleine Scheibe spähte. Ich entschied mich für die Seite neben dem Griff, denn die Tür öffnete sich nach außen, weswegen sie vermutlich erst in die andere Ecke schauen würden. Ich musste hoffen, dass ihnen nichts auffiel und sie nach einem Blick auf Samantha auf ihrer Liege arglos eintreten würden. Mit ein bisschen Glück hieß es dann nur noch, eins, zwei, links, rechts, und Dexter trottete davon.
    Ich klemmte seit ungefähr fünf Minuten in meiner Ecke, als ich durch die massive Tür undeutlich Stimmen hörte. Ich atmete tief ein, langsam wieder aus und versuchte, mich noch kleiner zu machen. Ich sah Samantha an. Sie leckte ihre Lippen, nickte mir aber zu. Ich nickte zurück, und dann hörte ich, wie jemand den Türgriff betätigte, und die große Tür schwang auf.
    »Wo ist das Schweinchen«, sagte jemand und kicherte äußerst gemein. »Oink, oink.«
    Ein Mann mit einer roten Isoliertasche aus Nylon trat ein. Ich knallte ihm die Brechstange auf den Kopf, und er brach lautlos zusammen. Wie ein geölter Blitz sprang ich über seinen Körper zur

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