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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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miteinander zu verbinden, und die Ereignisse nahmen in meiner Erinnerung nach und nach Gestalt an – was mich wesentlich mehr peinigte als mein schmerzender Kopf, weshalb ich wieder die Augen schloss. »Autsch …«
    »Ja, das sagtest du bereits«, bemerkte Samantha. »Ich hab kein Aspirin oder so was, aber vielleicht hilft das hier.« Ich spürte, wie sie sich unter mir bewegte, und schlug die Augen auf. Sie hielt eine große Wasserflasche in der Hand und schraubte gerade den Verschluss auf. »Trink einen Schluck. Langsam, nicht zu viel, sonst wird dir vielleicht schlecht.«
    Ich trank. Das Wasser war kühl und schmeckte schwach nach etwas, das ich nicht identifizieren konnte, und als ich schluckte, wurde mir bewusst, wie trocken und wund meine Kehle war. »Mehr«, bat ich.
    »Immer nur ein bisschen auf einmal«, sagte Samantha, erlaubte mir aber noch einen Schluck.
    »Gut. Ich hatte Durst.«
    »Wow«, meinte sie. »Vier volle Wörter auf einmal. Du machst dich.« Auch sie trank einen Schluck, dann stellte sie die Wasserflasche weg.
    »Könnte ich noch ein bisschen haben?«, bat ich und fügte hinzu: »Das waren sechs Wörter.«
    »Stimmt genau«, sagte sie, und sie wirkte sehr zufrieden mit meinem wunderbaren neuen Talent, mehrere Wörter zu benutzen. Sie hielt mir die Flasche an den Mund, und ich trank noch einen Schluck. Das Wasser schien die Muskeln in meinem Hals zu lockern und mein Kopfweh ein wenig zu lindern. Außerdem brachte es mir zu Bewusstsein, dass die Dinge nicht so waren, wie sie sein sollten.
    Ich wandte den Kopf, um mich umzusehen, was von einem stechenden Schmerz quittiert wurde, der von meinem Nacken bis zur Schädeldecke schoss. Dennoch konnte ich ein wenig mehr von meiner Umwelt erkennen als Samanthas Gesicht und Hemd, aber der Anblick war nicht sonderlich ermutigend. Über uns hing eine Leuchtstoffröhre, deren Licht auf eine hellgrüne Wand fiel. Die Stelle, an der man ein Fenster erwartet hätte, wurde von einer rohen, unlackierten Sperrholzplatte eingenommen. Mehr konnte ich nicht sehen, ohne den Kopf ein Stück weiter zu drehen, was ich eingedenk des stechenden Schmerzes, den ich soeben durchlebt hatte, definitiv nicht wollte.
    Ich brachte meinen Kopf ganz langsam wieder in seine Ausgangsposition und dachte nach. Meine Umgebung war mir unbekannt, aber wenigstens befand ich mich nicht länger in der Kühlkammer. In der Nähe hörte ich ein mechanisches Surren und erkannte, wie jeder Einwohner Floridas es getan hätte, das Geräusch einer Fensterklimaanlage. Doch weder das noch die Sperrholzplatte verrieten mir etwas von Bedeutung.
    »Wo sind wir?«, fragte ich Samantha.
    Sie trank einen Schluck Wasser. »In einem Wohnwagen. Irgendwo tief in den Everglades, keine Ahnung, wo genau. Einem Typen aus dem Zirkel gehören ungefähr zwanzig Hektar Land, auf dem dieser Wohnwagen steht, er jagt hier oder so. Sie haben uns hergebracht, weil wir hier völlig isoliert sind. Man wird uns nie finden.« Sie klang sehr zufrieden, aber schließlich fiel ihr wieder ein, dass sie eigentlich schuldbewusst dreinschauen sollte, und sie trank rasch noch etwas Wasser, um es zu überspielen.
    »Wie?«, fragte ich, und da ich einen sehr trockenen Hals hatte, griff ich nach der Flasche und nahm einen tiefen Zug. »Wie haben sie uns aus dem Club geschafft? Ohne dass uns jemand gesehen hat?«
    Sie winkte ab. Die Bewegung erschütterte meinen Kopf, zwar nur geringfügig, aber der Schmerz war heftig. »Sie haben uns in Teppiche gerollt. Zwei Männer in Overalls haben die Teppiche dann rausgeschleppt, in einen Lieferwagen verfrachtet und hierhergebracht. ›Teppichreinigung Gonzalez‹ stand drauf. Einfach.« Sie lächelte achselzuckend und trank etwas Wasser.
    Ich dachte darüber nach. Falls Deborah beobachtet hatte, wie zwei große Rollen hinausgetragen wurden, war sie bestimmt misstrauisch geworden – und da sie nun einmal Debs war, hätte sie die Männer mit gezogener Waffe gezwungen, stehen zu bleiben. Demnach hatte sie nichts gesehen – aber warum nicht? Würde sie mich tatsächlich im Stich lassen, mich, ihren geliebten Bruder? Mich einem Schicksal, schlimmer als der Tod, überlassen, der aber selbstverständlich auch inbegriffen war? Das konnte ich mir nicht vorstellen, nicht absichtlich. Ich trank etwas Wasser und versuchte nachzudenken.
    Absichtlich hätte sie mich nicht im Stich gelassen. Andererseits konnte sie auch nicht nach Verstärkung rufen – ihr Partner war tot, und genau genommen tat sie etwas,

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