Dexter
beeindrucken, sie aufzureißen, ja? Also sagt er: ›Ich bin in so ’ner Gang, du würdest nicht glauben, was wir machen: Wir essen Menschen.‹ Und sie sagt: ›Du kannst
mich
essen‹, und er glaubt, sie hätte es nicht kapiert, und sagt: ›Nein, ich meine wirklich essen‹, und Tyler so: ›Klar, gut, ich mein das ehrlich, mich
und
meine Freundin.‹«
Samantha schauderte wieder, wickelte sich fester in die Decke und wiegte sich vor und zurück. »Wir hatten schon lange überlegt, wie wir so jemanden finden könnten. Ich meine, wir waren in diesen Chatrooms und so, aber das ist fast nur Beschiss oder Porno, außerdem kann man online doch irgendwie keinem trauen? Und dann taucht einfach so dieser Typ auf und sagt: ›Wir essen Menschen.‹« Jetzt bebte sie am ganzen Körper. »Tyler kommt zu mir und sagt: ›Du glaubst nicht, was letzte Nacht passiert ist.‹ Das sagt sie dauernd, deshalb ich nur so: ›Okay, was denn?‹, und sie: ›Nein, ehrlich‹, und dann erzählt sie mir von Vlad und seiner Gang …«
Samantha schloss die Augen und leckte sich die Lippen, ehe sie fortfuhr: »Es ist, als würde ein Traum wahr. Ich meine, das ist doch echt zu
gut.
Erst mal glaube ich ihr nicht. Weil Tyler … Na ja, sie ist –
war
ein bisschen schlicht, und die Typen merkten das gleich, und oft haben sie ihr irgendwelches Zeug erzählt, nur um sie ins Bett zu kriegen. Außerdem war ich sicher, dass sie Ecstasy oder irgendwelchen Scheiß geschluckt hatte, also wusste ich nicht mal, ob es den Typ wirklich gibt. Aber sie nimmt mich zu Vlad mit, und er zeigt uns Fotos und so, und ich finde, das ist es.«
Samantha blickte mir in die Augen und strich sich das Haar aus der Stirn. Es waren hübsche Haare, mausbraun, aber sauber und glänzend, und sie wirkte wie ein vollkommen normaler Teenager, der einem verständnisvollen Erwachsenen von einer interessanten Begebenheit aus dem Französischkurs erzählt – bis sie wieder den Mund aufmachte.
»Ich hab immer gewusst, dass ich das eines Tages tun würde. Jemanden finden, der mich isst. Weil ich mir das so sehr wünsche. Aber ich dachte, es würde später passieren, weißt du, nach dem College oder so …« Sie zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. »Doch da war er nun, und Tyler und ich auch, also warum warten? Warum soll ich das Geld meiner Eltern fürs College verschwenden, wenn ich das, was ich will, auch so kriegen kann, oder? Deshalb haben wir zu Vlad gesagt: ›Okay, wir sind dabei‹, und er hat uns zum Führer der Gruppe gebracht, und …« Sie lächelte. »Hier bin ich.«
»Und Tyler nicht«, warf ich ein.
Samantha nickte. »Sie hat immer Glück gehabt. Sie kam als Erste dran.« Ihr Lächeln wurde strahlender. »Aber ich bin die Nächste. Bald.«
Ihre offensichtliche Begeisterung, Tyler in den Kessel zu folgen, dämpfte meinen Diensteifer, und ich schwieg. Samantha beobachtete mich, um herauszufinden, wie ich reagierte – und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Ahnung, was zu tun war. Welcher Gesichtsausdruck war angemessen, wenn einem jemand erzählte, er hätte sein Leben lang davon geträumt, gegessen zu werden? Schock? Unglaube? Wie stand es mit moralischer Entrüstung? Ich war ziemlich sicher, dass dieses Thema nie Gegenstand einer der Serien oder Filme gewesen war, die ich studiert hatte, und obgleich ich in gewissen Kreisen den Ruf genieße, klug und kreativ zu sein, wollte mir absolut nichts einfallen, was einigermaßen passend gewesen wäre.
Deshalb starrte ich sie nur an, und Samantha erwiderte meinen Blick; ein vollkommen normaler, verheirateter Mann mit drei Kindern und einer vielversprechenden Karriere, der zufällig gern Leute umbrachte, und ein vollkommen normales, achtzehnjähriges Mädchen, das eine gute Schule besuchte,
Twilight
mochte und gegessen werden wollte, saßen nebeneinander auf einer Liege in einer Kühlkammer in einem Vampirclub in South Beach. Ich hatte mich in letzter Zeit heftig bemüht, ein annähernd normales Leben zu führen, aber wenn das
so
aussah, konnte ich gut darauf verzichten. Lässt man Salvador Dalí außen vor, glaube ich wirklich nicht, dass der menschliche Verstand mit etwas noch Extremerem umgehen kann.
Schließlich begann das stumme Starren unangenehm zu werden, selbst für zwei so hingebungsvolle Nicht-Menschen wie uns, und wir beide zwinkerten und wandten den Blick ab.
»Na ja«, sagte sie. »Ist ja jetzt auch egal.«
»Was ist jetzt auch egal? Der Wunsch, gegessen zu werden?«
Sie
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