Dexter
bevorstehenden Sterblichkeit zusah, plazierte er seine Sprachbox auf dem Autodach, öffnete den Beutel, langte mit einem triumphierenden Zähnefletschen in meine Richtung hinein – und zog eine volle, verrottende und absolut widerliche Windel heraus.
Beim Anblick von Doakes’ Miene, die das komplette Spektrum von Triumph bis Ekel durchlief, fiel es mir wieder ein. Als ich zu meiner spontanen Sitzung mit Chapin aufgebrochen war, hatte Rita mir einen Beutel mit schmutzigen Windeln in die Hand gedrückt. In der Eile hatte ich sie im Auto liegenlassen. Dann folgte der ganze Trubel um Dekes Ermordung, meine Entführung, das fürchterliche Zwischenspiel mit Samantha – und in der Aufregung war mir der kleine, unbedeutende Windelbeutel völlig entfallen. Während ich mir die Einzelheiten ins Gedächtnis rief, erfüllte mich nach und nach ein tiefes Glücksgefühl, zu dem nicht unwesentlich beitrug, dass Lily Anne, dieses wunderbare, magische Kind – Lily Anne, Königin der Windeln, Herrscherin des Aa – meine süße Lily Anne mich mit ihren schmutzigen Windeln gerettet und, schöner noch, gleichzeitig Doakes gedemütigt hatte.
Das Leben war schön; Vaterschaft ein wunderbares Abenteuer.
Ich erhob mich und lächelte Doakes munter an. »Ich weiß, reinster Giftmüll. Verstößt vermutlich gegen diverse städtische Verordnungen.« Ich streckte die Hand nach dem Beutel aus. »Aber bitte, bitte, Sergeant, verhaften Sie mich nicht. Ich verspreche, sie ordnungsgemäß zu entsorgen.«
Doakes riss sich von der Windel los und musterte mich mit solcher Verachtung und Wut, dass die Windeln einen Moment vergessen waren. Dann formulierte er bedächtig »Gnikkfer« und öffnete die Klaue mit dem Beutel. Er fiel zu Boden, einen Moment später gefolgt von der Windel.
»Gnikkfer?«, wiederholte ich fröhlich. »Ist das Holländisch?« Aber Doakes nahm nur seine Sprachbox vom Autodach, wandte mir und der schmutzigen Windel den Rücken und stapfte auf seinen künstlichen Füßen davon.
Während ich ihm hinterhersah, genoss ich das Gefühl purer, vollkommener Erleichterung, und als er am anderen Ende des Parkplatzes verschwand, atmete ich tief durch – angesichts dessen, was zu meinen Füßen lag, ein schwerer Fehler. Hustend und mit tränenden Augen bückte ich mich, schob die Windel zurück in den Beutel, band ihn zu und trug ihn zum Müllcontainer.
Es war bereits dreizehn Uhr dreißig, als ich endlich mein Büro betrat. Ich beschäftigte mich kurz mit ein paar Laborberichten, führte einen Routinetest mit dem Spektrometer durch und quälte mich durch eine Tasse wahrhaft abscheulichen Kaffees, während die Zeiger sechzehn Uhr dreißig entgegenstrebten. Gerade als ich glaubte, mich sicher durch Tag eins nach der Gefangenschaft manövriert zu haben, betrat Deborah mit einem entsetzlichen Ausdruck im Gesicht mein Büro. Ich schloss daraus, dass etwas furchtbar schiefgegangen war und sie es sehr persönlich zu nehmen schien. Da ich Deborah mein Leben lang kannte und wusste, wie ihr Verstand arbeitete, ging ich davon aus, dass Dexter Ärger bevorstand.
»Guten Tag«, grüßte ich strahlend, in der Hoffnung, dass meine Munterkeit das Problem vertreiben würde, worum auch immer es sich handelte. Was natürlich nicht funktionierte.
»Samantha Aldovar«, murmelte meine Schwester mit leerem Blick, und meine schlimmsten Befürchtungen erwachten erneut zum Leben.
Ich war überzeugt, dass Samantha geredet hatte und Debs gekommen war, um mich zu verhaften. Meine Verärgerung über dieses Mädchen nahm um einige Grade zu, hatte sie sich doch nicht einmal eine annehmbare Zeitspanne zurückgehalten, um mir das Ausdenken einer wasserdichten Ausrede zu ermöglichen. Wahrscheinlich war sie schon damit herausgeplatzt, ehe sich die Haustür ganz geschlossen hatte, und nun war ich am Ende. Ich war erledigt, gescheitert, total – man möge das Wortspiel verzeihen –
gefickt.
Unvermittelt überwältigten mich Angst, Schrecken und Bitterkeit. Was war nur aus der guten altmodischen Diskretion geworden?
Nun denn, es war so weit, und Dexter blieb nichts anderes übrig, als sich der Situation zu stellen und die Konsequenzen zu tragen. Also holte ich tief Luft, stellte mich und tat es. »Es war nicht meine Schuld«, setzte ich an und sammelte meinen kümmerlichen Verstand für Phase eins von Dexters Verteidigung.
Doch Deborah zwinkerte nur, und ein kurzes, verwirrtes Stirnrunzeln lockerte ihre trostlose Miene auf. »Was zur Hölle meinst du
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