Dexter
bezahlen …« Sie musterte ihre Knöchel, dann sah sie zu mir auf, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, den ich noch nie gesehen hatte.
»Was ist denn?«
Deborah biss sich auf die Lippe. »Na ja«, setzte sie an. Sie senkte den Blick. »Ich weiß auch nicht.« Wieder sah sie mich an und atmete tief ein. »Vielleicht gäbe es da etwas … Etwas, was du tun könntest.«
Ich zwinkerte mehrmals und konnte mich gerade noch zurückhalten, mit einem schnellen Blick zu überprüfen, ob der Boden unter meinen Füßen noch vorhanden war. Man konnte unmöglich falsch verstehen, was sie da vorschlug. In Debs’ Augen verfügte ich nur über zwei Talente, und sie sprach nicht über eine kriminaltechnische Analyse Bobby Acostas.
Deborah war die einzige Person auf der Welt, die über mein Hobby Bescheid wusste. Ich war davon ausgegangen, dass sie es akzeptiert hatte, wie widerstrebend auch immer – aber dass sie tatsächlich vorschlug, ich sollte es an jemandem ausüben, lag so weit jenseits meiner Vorstellungskraft, dass ich zutiefst erschüttert war.
»Deborah«, sagte ich, und man konnte mir den Schock anhören.
Doch sie beugte sich nur so weit vor, wie es ihr möglich war, ohne vom Stuhl zu fallen, und senkte die Stimme. »Bobby Acosta ist ein Killer«, stellte sie mit Verve fest. »Und er wird wieder mal davonkommen, weil er Geld und Beziehungen hat. Das ist falsch, und du weißt das – und es ist genau das, worum du dich nach Dads Willen kümmern solltest.«
»Hör mal«, wandte ich ein, aber sie war noch nicht fertig.
»Gottverdammt, Dexter«, fauchte sie. »Ich habe mir höllisch Mühe gegeben, dich zu verstehen, zu verstehen, was Daddy bezweckt hat, und endlich begreife ich es – ich hab es kapiert, okay? Ich weiß ganz genau, was Daddy wollte. Weil ich ein Bulle bin, genau wie er, und eines Tages trifft jeder Bulle auf seinen Bobby Acosta, jemanden, der ungestraft morden kann, auch wenn man keine Fehler gemacht hat. Und dann kann man nicht mehr schlafen, man knirscht mit den Zähnen und möchte am liebsten schreien oder jemanden erwürgen, aber es ist dein Job, die Scheiße zu schlucken, und du kannst absolut nichts dagegen tun.« Sie sprang tatsächlich auf, stützte sich mit den Fäusten auf den Tisch und beugte sich dicht vor mein Gesicht. »Bis heute!«, sagte sie. »Daddy hat das Problem gelöst, die ganze verdammte Sauerei.« Sie bohrte ihren Finger in meine Brust. »
Du
bist die Lösung. Und jetzt musst du tun, was Daddy gewollt hat, Dexter. Ich will, dass du dich um Bobby Acosta kümmerst.«
Debs starrte mich an, während ich nach einer Antwort suchte. Trotz meines wohlverdienten Rufs, über eine geschmeidige Zunge und scharfen Witz zu verfügen, fehlten mir definitiv die Worte. Ich meine, also ehrlich: Ich hatte so sehr um meine Bekehrung gerungen, darum, ein normales Leben zu führen, und als Ergebnis war ich von Kannibalen unter Drogen gesetzt, zu einer Orgie gezwungen, verhöhnt und geschlagen worden – und jetzt bat mich auch noch meine Schwester, eine vereidigte Hüterin des Gesetzes, die ihr Leben lang alles abgelehnt hatte, was mir lieb und teuer war, jemanden zu töten. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob ich vielleicht noch gefesselt und mit Drogen vollgepumpt irgendwo lag und vor mich hin halluzinierte. Eine tröstliche Vorstellung – aber mein Magen knurrte, und meine Brust schmerzte an der Stelle, wo Deborah mich gepikt hatte, und mir wurde bewusst, dass ein dermaßen unangenehmer Zustand unmöglich ein Traum sein konnte, was bedeutete, dass ich mich der Angelegenheit stellen musste.
»Deborah«, setzte ich behutsam an. »Ich fürchte, du bist ein bisschen aufgeregt und …«
»Da hast du verdammt recht, ich rege mich auf! Ich hab mir den Arsch aufgerissen, um Samantha zurückzubringen, und nun ist sie wieder verschwunden – und ich wette, dass Bobby Acosta sie hat, und er wird wieder davonkommen.«
Eigentlich wäre es akkurater gewesen zu sagen, dass sie
mir
den Arsch aufgerissen hatte, um Samantha zurückzuholen – doch schien dies nicht der geeignete Augenblick, sie zu korrigieren, zumal ich davon ausging, dass sie mit Bobby Acosta recht hatte. Samantha war durch ihn in diese Angelegenheit verwickelt worden, und er war der Einzige, der ihr noch helfen konnte, ihren Traum zu verwirklichen. Doch zumindest bot sich mir hier eine Gelegenheit, diesem unangenehmen Moment zu entfliehen, indem ich das Gespräch auf Acostas Aufenthaltsort lenkte – weg von dem, was
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