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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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erneut. Erst Astor mit ihrem Sperrfeuer verbotener Wörter und nun Cody mit seinem Schattenmann. Offensichtlich lag einer dieser wunderbaren Abende vor mir, die Eltern von Zeit zu Zeit erleben. »Cody, auch der Schattenmann irrt sich hin und wieder.«
    Er schüttelte den Kopf. »Selbes Auto.«
    »Dasselbe wie was?«
    »Es ist das Auto vom Krankenhausparkplatz«, übersetzte Astor. »Das rote, wo du gesagt hast, der Typ würde uns gar nicht angucken, aber in Wirklichkeit hat er es doch gemacht. Und jetzt verfolgt er uns, auch wenn du glaubst, das stimmt nicht.«
    Ich betrachte mich gern als Mann der Vernunft, auch in unvernünftigen Situationen, also meistens, wenn Kinder im Spiel sind. Aber an diesem Punkt spürte ich, dass ich das Irreale ein Stückchen zu weit zugelassen hatte und es jetzt Zeit für eine kleine Lektion war. Abgesehen davon musste ich sowieso damit beginnen, ihnen ihre düsteren Phantastereien auszutreiben, wollte ich meinen Entschluss umsetzen und zur sonnigen Seite der Straße wechseln. Dieser Zeitpunkt war so gut wie jeder andere.
    »Nun gut«, sagte ich. »Schauen wir mal, ob er uns wirklich verfolgt.«
    Ich wechselte in die linke Spur und blinkte. Niemand folgte uns. »Seht ihr jemanden?«
    »Nein«, antwortete Astor mürrisch.
    Ich bog nach links in eine Straße, die an einem Einkaufscenter vorbeiführte. »Werden wir jetzt verfolgt?«
    »Nein«, sagte Astor.
    Ich gab Gas und bog nach rechts ab. »Wie ist es jetzt?«, rief ich fröhlich. »Jemand hinter uns?«
    »Dexter«, grollte Astor.
    Ich hielt am Straßenrand vor einem kleinen gewöhnlichen Haus, ähnlich dem unseren, zwei Reifen auf dem Rasen, den Fuß auf der Bremse. »Und jetzt? Folgt uns jemand?«, fragte ich und versuchte, nicht allzu hämisch zu klingen.
    »Nein«, zischte Astor.
    »Ja«, sagte Cody.
    Ich drehte mich im Sitz, um ihn zu schelten, und erstarrte. Denn durch die Heckscheibe konnte ich in ungefähr hundert Metern Entfernung ein Auto ausmachen, das sich uns langsam näherte. Das Licht der untergehenden Sonne reichte soeben, um ein rotes Aufblitzen zu erkennen, und dann kroch es durch die Schatten der baumgesäumten Straße auf uns zu. Als hätten diese Schatten ihn geweckt, richtete sich der Dunkle Passagier vorsichtig auf, spreizte die Schwingen und zischte eine Warnung.
    Ohne nachzudenken, trat ich das Gas durch, ehe ich mich auch nur zurückgedreht hatte, ließ ein kleines Stück Rasen aufspritzen und schrammte knapp an einem Briefkasten vorbei, als ich wieder nach vorne sah. Das Auto geriet leicht ins Schleudern, während wir auf den Asphalt zurückschossen. »Festhalten«, rief ich den Kindern zu, raste mit einem erschütternd nahe an Panik grenzenden Gefühl die Straße hinunter und bog nach rechts zur US 1 ab.
    Ich konnte das andere Auto hinter mir noch sehen, doch als ich den Highway erreichte, hatten wir bereits einen ordentlichen Vorsprung, und ich fädelte mich rasch in den dichten Verkehr. Ich begann wieder zu atmen, nur ein- oder zweimal, während ich über drei Spuren schnell fahrender Autos zog und mich in die äußerste linke Spur einordnete. Ich jagte über eine Ampel, als sie gerade auf Rot sprang, und raste dann ungefähr eine halbe Meile die Straße hinunter, bis ich eine Lücke im Gegenverkehr entdeckte und mit quietschenden Reifen nach links in eine weitere ruhige Wohnstraße schleuderte. Wir passierten zwei Kreuzungen und bogen dann erneut nach links ab, so dass wir jetzt parallel zur US 1 fuhren. Die Straße war dunkel und ruhig, und hinter uns war absolut niemand zu sehen, nicht einmal ein Fahrrad.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Ich glaube, wir haben ihn abgeschüttelt.«
    Im Spiegel sah ich, wie Cody durch die Heckscheibe schaute. Er bemerkte meinen Blick und nickte.
    »Wer war das, Dexter?«, fragte Astor.
    »Irgendein Irrer«, erwiderte ich mit mehr Überzeugung in der Stimme, als ich tatsächlich empfand. »Einigen macht es Spaß, Menschen zu erschrecken, die sie gar nicht kennen.«
    Cody runzelte die Stirn. »Selber Mann«, bemerkte er. »Vom Krankenhaus.«
    »Das kannst du nicht wissen«, widersprach ich.
    »Doch.«
    »Das war nur Zufall. Zwei verschiedene Verrückte«, versicherte ich ihm.
    »Derselbe«, beharrte er.
    »Cody«, mahnte ich. Doch ich spürte, wie mein Adrenalinspiegel sank, und ich wollte wirklich keinen Streit, deshalb gab ich nach. Wenn er heranwuchs, würde er begreifen, dass das Großgebiet Miamis von einer riesigen und beeindruckenden Schar von Durchgeknallten und

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