Dexter
nicht an.
»Also gut«, meinte ich schließlich. »Bis morgen.«
»Was war das für ein Gefühl«, fragte sie, und ich zögerte, die Tür halb geöffnet.
»Was war
was
für ein Gefühl?«, fragte ich zurück.
»Als du das Baby zum ersten Mal gehalten hast.«
Über diese Antwort musste ich nicht lange nachdenken. »Erstaunlich. Absolut wunderbar. Es ist mit nichts in der Welt zu vergleichen.«
Sie sah mich an, und ich konnte nicht erkennen, ob sie mich umarmen oder schlagen würde, aber sie tat weder das eine noch das andere, und am Ende schüttelte sie nur langsam den Kopf. »Los, hol deine Kinder ab«, sagte sie.
Ich wartete eine Sekunde, ob sie vielleicht noch mehr sagen wollte, aber sie tat es nicht.
Ich stieg aus dem Auto, und als sie langsam davonfuhr, stand ich dort und blickte ihr hinterher, während ich zu ergründen versuchte, was in meiner Schwester vorging. Doch war das für einen frisch geprägten Menschen eindeutig zu kompliziert, weshalb ich es abschüttelte, in meinen Wagen stieg und losfuhr, um Cody und Astor abzuholen.
[home]
8
A uf der Old Cutler Road herrschte dichter Verkehr, doch schien an diesem Abend aus unbekannten Gründen jedermann in diesem Teil der Stadt außerordentlich höflich. Ein Mann in einem großen roten Hummer bremste sogar ab, um mich einfädeln zu lassen, als die Fahrbahn einspurig wurde, was ich noch nie erlebt hatte. Ich fragte mich, ob vielleicht Terroristen etwas in Miamis Trinkwasserversorgung geschüttet hatten, das uns alle nachgiebig und liebenswürdig machte. Erst hatte ich beschlossen, meine dunkle Seite aufzugeben; dann hatte Debs fast geweint – und nun verhielt sich der Fahrer eines Hummer in der Hauptstoßzeit höflich und rücksichtsvoll. War das die Apokalypse?
Doch konnte ich auf der restlichen Strecke zu dem Park, in dem Cody und Astor zwischengelagert waren, nirgends Engel mit Flammenschwertern entdecken, und wieder einmal schaffte ich es bis kurz vor sechs. An der Tür erwartete mich dieselbe junge Frau mit Cody und Astor, klirrte mit ihren Schlüsseln und tänzelte praktisch vor Ungeduld. Sie schleuderte die Kinder förmlich in meine Richtung und sprintete dann mit mechanischem Lächeln, das nicht einmal annähernd die Qualität meines Imitats erreichte, zu ihrem Auto am anderen Ende des Parkplatzes.
Ich verfrachtete Cody und Astor auf den Rücksitz und setzte mich hinter das Steuer. Sie waren relativ still, selbst Astor, deshalb beschloss ich, eingedenk meiner Rolle als frischgebackener menschlicher Vater, sie ein wenig aufzumuntern. »Hattet ihr einen schönen Tag?«, erkundigte ich mich mit immenser synthetischer Munterkeit.
»Anthony ist so ein Arschloch«, klagte Astor.
»Astor, du sollst nicht solche Wörter benutzen«, ermahnte ich sie leicht schockiert.
»Sogar Mom sagt das, wenn sie Auto fährt«, wehrte sie sich. »Und außerdem hab ich es im Radio gehört.«
»Tja, du darfst es trotzdem nicht benutzen. Das ist ein schlimmes Wort.«
»So darfst du nicht mehr mit mir reden«, maulte sie. »Ich bin schon zehn.«
»Keineswegs alt genug, um dieses Wort zu benutzen«, sagte ich. »Das hat nichts damit zu tun, wie ich mit dir rede.«
»Ist dir denn egal, was Anthony getan hat?«, fragte sie. »Du willst nur, dass ich dieses Wort nicht mehr benutze?«
Ich holte tief Luft und unternahm gewaltige Anstrengungen, das Auto vor mir nicht zu rammen. »Was hat Anthony getan?«
»Er sagt, ich wär kein bisschen heiß«, berichtete Astor. »Weil ich keine Hupen hab.«
Ich spürte, wie sich mein Mund ein paarmal öffnete und schloss, und erinnerte mich gerade noch rechtzeitig daran, dass ich auch weiterhin atmen musste. Ich war der Situation ganz eindeutig nicht gewachsen, aber ebenso eindeutig musste ich antworten. »Tja, hm, äh«, sagte ich entschieden. »Ich meine, nur die wenigsten von uns nennen mit zehn bereits Hupen ihr Eigen.«
»Er ist so ein Arschgesicht«, murmelte sie düster, um dann in honigsüßem Ton hinzuzufügen: »Darf ich Arschgesicht sagen, Dexter?«
Erneut öffnete ich den Mund, um diese oder jene Antwort zu stottern, aber ehe ich auch nur eine belanglose Silbe hervorstoßen konnte, meldete sich Cody zu Wort. »Jemand verfolgt uns.«
Reflexartig sah ich in den Rückspiegel. Bei diesem Verkehr war es mir unmöglich festzustellen, ob uns tatsächlich jemand folgte. »Warum sagst du das, Cody?«, drängte ich. »Woher willst du das wissen?«
Sein Spiegelbild zuckte die Achseln. »Schattenmann«, sagte er.
Ich seufzte
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