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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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sich erinnern, sie zusammen mit jemandem von zweifelhaftem Charakter gesehen zu haben – abgesehen von Tyler Spanos.
    Tyler war anscheinend ein wahrhaft wildes Kind, und von außen betrachtet schien die Freundschaft der beiden Mädchen extrem unwahrscheinlich. Während Samantha von ihrer Mutter mit einem vier Jahre alten Hyundai zur Schule gebracht und abgeholt wurde, fuhr Tyler ein eigenes Auto – einen Porsche. Während Samantha still und schüchtern war, schien Tyler eine wilde Hummel, eine immerwährende laute Party, die nur nach einer Gelegenheit zum Ausbruch suchte. Sie hatte allein deshalb keinen Freund, weil sie sich nicht mit einem einzigen Jungen bescheiden konnte.
    Und dennoch hatte sich im Lauf des vergangenen Jahrs eine tiefe Freundschaft entwickelt, und die beiden Mädchen waren fast immer zusammen gewesen, beim Essen, nach der Schule und an den Wochenenden. Das war verblüffend und störte Deborah mehr als alles andere. Sie hatte gelassen Fragen gestellt und zugehört, die Fahndung nach Tylers Porsche eingeleitet und (mit einem Schaudern) ihren Partner Deke losgeschickt, um mit der Familie Spanos zu sprechen, und nichts davon hatte auch nur die Oberfläche des Sees Deborah gekräuselt. Aber die seltsame Freundschaft zwischen den beiden Mädchen hatte sie aus unerfindlichen Gründen in Aufregung versetzt wie einen Spaniel, der ein Steak wittert.
    »Es ergibt nicht den geringsten beschissenen Sinn«, fluchte sie.
    »Sie sind Teenager«, bemerkte ich. »Von ihnen erwartet man kein sinnvolles Handeln.«
    »Falsch«, sagte Deborah. »Einige Dinge ergeben immer Sinn, besonders bei Teenagern. Außenseiter hängen mit Außenseitern ab, Sportasse und Cheerleader mit Sportassen und Cheerleadern. Das ändert sich nie.«
    »Vielleicht haben sie ein geheimes gemeinsames Interesse«, schlug ich vor, während ich unauffällig auf meine Uhr sah, die mir versicherte, dass es fast an der Zeit war, nach Hause zu fahren.
    »Darauf würde ich wetten. Und ich bin sicher, wenn wir wissen, was das ist, wissen wir auch, wo wir sie finden.«
    »Niemand hier scheint etwas darüber zu wissen«, sagte ich, obwohl ich mir eigentlich eine elegante Abschiedszeile einfallen lassen wollte.
    »Was zum Teufel stimmt nicht mit dir?«, fauchte Deborah mich unvermittelt an.
    »Wie bitte?«
    »Du rutschst die ganze Zeit herum, als müsstest du dringend aufs Klo.«
    »Oh, äh, eigentlich«, stammelte ich, »muss ich gleich los. Ich muss noch vor sechs Cody und Astor abholen.«
    Meine Schwester starrte mich ungemütlich lange an. »Das hätte ich niemals geglaubt«, sagte sie schließlich.
    »Was hättest du nie geglaubt?«
    »Dass du mal heiratest, mit Kindern, du weißt schon. Ein Familienvater, bei allem, was du so treibst.«
    Ich wusste, dass sie damit meine dunklere Seite meinte, meine ehemalige Rolle als Dexter, der Rächer, die einsame Klinge im Mondlicht. Sie hatte mein Alter Ego kennengelernt und sich anscheinend damit abgefunden – und gerade noch rechtzeitig für mich, um diese Rolle aufzugeben. »Tja«, erwiderte ich. »Vermutlich hätte ich es selbst nicht geglaubt. Aber …« Ich zuckte die Achseln. »So ist es jetzt eben, ich habe Familie.«
    »Ja«, sagte sie und wandte den Blick ab. »Und eher als ich.«
    Ich sah zu, wie es in ihrem Gesicht arbeitete, um es wieder in ihre übliche Maske mürrischer Autorität zu verwandeln, aber es dauerte einige Momente, und in der Zwischenzeit wirkte sie erschütternd verletzlich.
    »Liebst du sie?«, fragte sie plötzlich, wobei sie mir direkt ins Gesicht sah. Ich zwinkerte überrascht. Eine solch plumpe und persönliche Frage sah Deborah überhaupt nicht ähnlich, was einer der Gründe war, warum wir so ausgezeichnet miteinander zurechtkamen. »Liebst du Rita?«, wiederholte sie und ließ mir damit nicht mehr den geringsten Spielraum.
    »Ich … ich weiß es nicht«, antwortete ich vorsichtig. »Ich, äh, ich habe mich an sie gewöhnt.«
    Deborah starrte mich an und schüttelte den Kopf. »An sie
gewöhnt
«, wiederholte sie. »Als wäre sie ein Polstersessel oder so was.«
    »Nicht so besonders gepolstert«, sagte ich in dem Versuch, diesem unvermittelt so beunruhigenden Gespräch ein wenig Leichtigkeit zu injizieren.
    »Kannst du überhaupt lieben?«, fragte sie eindringlich.
    Ich dachte an Lily Anne. »Ja«, sagte ich. »Ich glaube schon.«
    Deborah musterte einige Sekunden mein Gesicht, aber dort gab es nicht viel zu sehen, und schließlich wandte sie sich ab und sah durch den

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