Dezembergeheimnis
Stimme verlor sich einfach, bevor sie zu Ende gesprochen hatte.
Doch Noel schien verstanden zu haben und zog an einer Ecke, bis auch sein Schoß bedeckt war. Während sie ganz automatisch die Beine anzog, um sich einzukuscheln, saß er frontal zum Fernseher, die Füße auf dem Fußboden.
Also offensichtlich keine Brettspiele.
Sie schalteten die Sender durch, bis Noel auf einem Best-of-Rückblick hängen blieb, wobei Lea versuchte, ihn so gut es ging an ihrem Zusatzwissen über die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres teilhaben zu lassen.
Später stiegen sie dann doch noch wenigstens auf Kartenspiele um und sie musste ihm alles von ihren vergangenen Silvestern und den kleinenBräuchen erzählen, die sie mit ihrer Mutter zelebriert hatte. Als kurz nach drei Uhr Sally an der Haustür klingelte, schreckten beide aus ihren Positionen hoch. Seit der letzten Runde Mau-Mau waren sie tiefer in die Kissen und näher aneinander gerutscht – nicht dass das Leas Aufmerksamkeit entgangen war – und das durchdringende Sirren ließ sie so schnell in die Senkrechte springen, als hätten sie etwas Verbotenes getan.
Mit roten Wangen flitzte Lea zur Tür, wobei sie sich hastig die Haare wieder glatt strich, die durch die Sofakissen statisch aufgeladen waren und damit, hundertprozentig einen falschen Eindruck erweckend, wirr in alle Richtungen abstanden.
»Hey Sally!« Mit ihrer besten Unschuldsmiene öffnete sie ihrer Freundin die Tür und ließ sie in die Wohnung.
»Hallo! Alles in Ordnung mit dir?« Verwundert musterte Sally sie, während sie ihr erneut einen Kleidersack in die Arme drückte. »Du siehst durcheinander aus.«
»Bei uns ist alles gut. Wir haben nur ein wenig ferngesehen.«
Sally schenkte ihr einen Blick à la
Das kannst du deiner Großmutter erzählen
, ging aber kommentarlos an ihr vorbei ins Wohnzimmer, ohne sich der Schuhe oder des Mantels zu entledigen.
»Hallo Noel!« Sie winkte ihm kurz zu. Der hatte bereits die Bettdecke wieder zusammengelegt, grinste und trat ihr höflich entgegen.
»Schön, dich zu sehen.«
Sally verdrehte mit einem Schmunzeln die Augen und wandte sich zu Lea, wobei sie auf den Sack in ihren Händen deutete.
»Das ist der Anzug für heute Abend. Er müsste genau passen. Und hier«, sie hielt ihr einen weiteren Plastikbeutel entgegen, »sind die Schuhe dazu. Eine Krawatte habe ich auch noch beigelegt. Du weißt doch, wie man eine bindet, oder?« Noel erntete einen erwartungsvollen Blick, welcher ihn rasch zu Lea schielen ließ. Die nickte heftig mit dem Kopf, woraufhin er mit einem Lächeln antwortete: »Ja, kann ich. Hat mir mein Großvater beigebracht.«
Lea starrte ihn mit offenem Mund an. Er log!
»Ah, sehr gut.« Sally nickte und stemmte grübelnd die Hände in die Hüfte.
»Ein weißes Hemd habt ihr? Und einen Gürtel, falls die Hose doch zu weit sein sollte?«
»Ja, wir sind vorbereitet«, versicherte Noel zu Leas Überraschung – denn sie waren alles, nur nicht vorbereitet. Er trat an sie heran und forderte die Sachen, die sie ihm unbeholfen überließ. »Danke für deine Hilfe, Sally.«
»War mir ein Vergnügen.« Lea glaubte ihren Augen kaum, aber Sally zwinkerte sogar. »Ich erwarte euch beide dann heute Abend Punkt neun Uhr auf der Party. Paul sitzt mit seinen Eltern – ja, Lea, richtig gehört, seinen Eltern! – unten im Wagen, also muss ich jetzt schnell wieder runter.«
»Noch mal bitte … seine Eltern?«
»Das erzähle ich dir nachher, ja? Für die Geschichte brauche ich was zu trinken und zwar jede Menge. Aber wir haben ja nachher genug Zeit. Oh, ich freu mich schon so sehr!« Ein Glitzern trat in ihre Augen und sie klatschte kurz in die Hände – eine alte Angewohnheit der Vorfreude, die sie manchmal nicht unterdrücken konnte. »Wenigstens ein Lichtblick nach den letzten Stunden. Wirklich, Lea, versprich mir, dass du mich in Zukunft vor allen Schwiegermüttern der Welt beschützen wirst!«
»Versprochen.«
Nur eine Minute später war Sally bereits wieder aus der Wohnung gerauscht, mit dem Gebot, dass Noel und Lea in keinem Falle von ihrer angeratenen Kleiderwahl abweichen durften und unter allen Umständen pünktlich sein mussten.
Seufzend ließ Lea die Tür hinter ihr ins Schloss fallen.
»Verändert sich für sie heute Abend etwas?« Lea nahm ihm die Kleider ab, um sie ordnungsgemäß aufzuhängen. Noel lief ihr ins Schlafzimmer hinterher, wo er jedoch im Türrahmen stehen blieb.
»Nicht, dass ich wüsste. Aber sie ist, was solche
Weitere Kostenlose Bücher