Dezembergeheimnis
drehte sich am Küchentresen zu ihm um. »Ich könnte Freunde fragen, ob sie eins haben. Oder wir kaufen eins.«
»Kaufen … «, wiederholte er nachdenklich und ließ sich dabei auf seinen mittlerweile angestammten Barhocker nieder. »Aber du hast gesagt, du hast nicht so viel Geld.«
»Kann man so sagen. Aber vielleicht finden wir ja ein billiges.« Sie öffnete den Kühlschrank, um Eier und Milch hervor zu holen. »Ich denke, dein Sofa ist vollkommen ausreichend.«
Skeptisch sah sie ihn an, während sie das Mehl aus dem Schrank zog.
»Mir macht das nichts aus«, versicherte er eindringlich, woraufhin sie ihn zwar weiter misstrauisch beäugte, aber nichts mehr dazu sagte.
Mit geübten Handgriffen bereitete sie ihm schnell einen normalen Rührkuchenteig zu, vermengt mit ein paar Mandelsplittern, als wäre es das Normalste der Welt. Sie gab sich mit einer Schüssel Cornflakes zufrieden und zusammen aßen sie, sich an Leas Küchentisch gegenüber sitzend, ihr Frühstück.
»Morgen beginnt ein neues Jahr«, erinnerte sie ihn. Silvester war für sie immer ein seltsamer Tag, mit einer seltsamen Atmosphäre.
»Ist das etwas Besonderes?«
»Irgendwie schon.«
»Ist denn dann morgen irgendwas anders?«
Lea lachte. »Nein, eigentlich nicht.«
Noel runzelte die Stirn, auf die er eigentlich auch direkt ein großes Fragezeichen hätte malen können, und schob sich seinen Teig in den Mund. Lea hingegen setzte den Löffel ab und erklärte: »Die Menschen nehmen sich im neuen Jahr viele Dinge vor, die sie im alten nicht geschafft haben. Oder was sie besser machen wollen. Irgendwie ist es immer, als ob sich ein Lebensabschnitt schließt, wenn ein Jahr um ist – obwohl das natürlich Quatsch ist. Morgen ist immer noch alles genauso wie heute … aber trotzdem hat dieser Tag so etwas Beendendes an sich.«
Sie zuckte mit den Schultern, aber Noel nickte.
»Gibt es denn etwas für dich, was heute endet?«
Spontan sprang ihr da nur eine Sache in den Kopf: Ihre Entscheidung, ob Noel bei ihr bleiben würde oder nicht.
»Nein«, erwiderte sie knapp, den Blick auf die Cornflakes gerichtet. »Wie gesagt: Viel Lärm um nichts.«
Sie hatte schon wieder gelogen. Das gefiel ihr nicht, selbst wenn es nur kleine süße Notlügen waren.
»Warum macht man dafür dann so eine große Party?«
Lea schmunzelte. »Ursprünglich sollte es böse Geister vertreiben, glaube ich. Und man kann auch ganz in Ruhe den Abend mit seiner Familie verbringen. Man isst zusammen und der Fernseher läuft die ganze Zeit, aber keiner beachtet ihn, die ganze Familie kommt zusammen und man lacht und singt … ein wenig wie bei Weihnachten.« Sie stützte sich auf ihrer Hand auf und dachte an die Neujahrswechsel zurück, bei denen sie noch ein Kind gewesen war. »Früher habe ich mit meiner Mutter immer die dümmsten Spiele gemacht, die etwas über das neue Jahr verraten sollten.«
»Warum machen wir das dieses Jahr nicht?« Noel legte den Kopf schief, doch sie winkte ab.
»Das ist schon Jahre her. Mittlerweile feiere ich mit meinen Freunden und sie mit Bernhard.«
»Ist Bernhard dein Vater?«
»Nein, nur mein Stiefvater. Also der neue Freund von meiner Mutter.«
»Und dein Vater? Wo feiert er? Warum ist er nicht bei deiner Mutter?«
Lea schluckte und sah zögerlich auf die leere Frühstücksschale, bevor sie seinen Blick suchte und antwortete. »Menschen bleiben nicht für immer zusammen, Noel. Ich weiß nicht so richtig, wie ich dir das erklären soll und … ob du dir das vorstellen kannst, aber Liebe ist nicht von Dauer. Mein Vater hat uns verlassen, als ich etwa ein Jahr alt war.«
»Oh, das … tut mir leid.«
»Schon okay, Bernhard ist schon ziemlich lange bei uns und war immer wie ein richtiger Vater für mich.«
Es war nicht ersichtlich, ob er alles verstanden hatte, da er lediglich die Lippen aufeinanderpresste und angestrengt nachzudenken schien.
»Glaubst du das denn auch? Dass Liebe vergänglich ist?«
»Ich weiß nicht«, wich Lea aus. Sie aß ihre Cornflakes, spürte aber, dass er auf mehr wartete. Leise murmelte sie: »Es gibt nur wenige Paare, die das Gegenteil bezeugen.«
»Warum ist dein Vater gegangen?«
»Keine Ahnung.« Lea lachte, aber es schwang kein Humor darin mit. »Meine Mutter meinte, dass er sich wahrscheinlich zu eingeengt gefühlt hat. Dabei ist sie eigentlich ein ziemlicher Wirbelwind, sie braucht viel Abwechslung. Als wir noch nur zu zweit waren, hatte sie alle acht Wochen ein neues Hobby – du
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