Dezembergeheimnis
hättest sie sehen sollen!« Sie schmunzelte nostalgisch. »Aber meinem Vater hat seine Freiheit wahrscheinlich mehr bedeutet als seine Familie.«
Noel blinzelte. »Das klingt unglaublich traurig. Liebe sollte doch nicht einengen. Sie sollte glücklich machen!«
Lea lachte erneut, ehe sie es sich verkneifen konnte; dieses Mal aber aus ehrlicher Erheiterung. Augenscheinlich betrachtete er dieses Thema mit noch mehr Naivität und Idealismus, als sie es früher getan hatte.
»Mach dir keine Sorgen um meine Mutter«, versicherte sie ihm. »Dafür hat sie ja jetzt Bernhard.«
Wieder sagte er nichts, sondern musterte lediglich den Teig vor seiner Nase.
»Du wirst sie morgen kennenlernen und sehen, dass es keinen Grund zur Besorgnis gibt«, sagte sie nochmals und dieses Mal versuchte er sich an einem Lächeln. »Aber zurück zu heute Abend: Wie du ja schon mitbekommen hast, gehen wir mit Sally und ihrem Freund aus.«
»Paul?« Anhand seiner Mimik zu urteilen, die direkt wieder zu aufgewecktem Interesse überging, schien er den Themenwechsel willkommen zu heißen.
»Richtig. Meine Chefin in der Bibliothek gibt jedes Jahr diese Party. Letztes Jahr war ich auch dort.«
»Was genau ist denn eine Party?«
Lea seufzte innerlich. Dass er solche Fragen immer erst stellte, nachdem sie den Begriff schon an die hundert Mal verwendet hatte. Trotzdem geduldig erklärte sie: »Eine Feier. Weißt du, was das ist? Menschen kommen zusammen und freuen sich über … irgendwas. Sie tanzen und haben Spaß und trinken meistens Alkohol.«
»Von Alkohol hab ich schon gelesen. Aber nicht so genau verstanden … «
»Ähm, ja.« Wie viel sollte sie ihm zu diesem Thema erzählen? Andererseits wäre eine Warnung vielleicht gar nicht unnütz. »Alkohol ist ein Mittel, das in manchen Getränken enthalten ist. Er kann dich … beeinflussen. Er macht dich lockerer, weil er deine Aufmerksamkeitsfähigkeit verlangsamt.«
»Das klingt ungesund.« Er zog die Augenbrauen zusammen.
»Ist es auch«, gab Lea mit einem kleinen Lachen zu.
»Trinkst du das auch?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich vertrag davon nicht viel.«
»Was passiert, wenn du zu viel davon trinkst?«
Wenn Lea es nicht besser wüsste, würde sie behaupten, dass in Noels Blick mehr Neugierde als Besorgnis lag. Mit einem Räuspern voran murmelte sie: »Keine Ahnung, ich bin nicht oft betrunken. Ich glaube, ich bin dann ziemlich nervig … kichere viel und werde anhänglich. Nicht unbedingt wünschenswert.«
»Ich glaube, dass du immer bezaubernd bist«, entgegnete Noel mit einem Blick, als wäre sie die Erfüllung all seiner Träume. Sofort wurde sie rot, schnappte sich die leeren Schüsseln und wandte sich zur Spüle. Noel ließ sich jedoch nicht anmerken, dass er ihren Fluchtversuch bemerkt hatte.
»Wann gehen wir zu dieser Feier?«
Bevor sie antwortete, atmete sie noch einmal tief durch. Körper wieder ruhig? Gut. »Erst heute Abend. Ich rufe aber Sally gleich noch mal an.«
»Was wollen wir bis dahin machen?«
»Wir wäre es, wenn ich dir ein paar Brettspiele beibringe? Und dazu können wir den Fernseher laufen lassen, da kommen massig Silvester-Sachen. Jahresrückblicke und so.«
»Okay … Dann mache ich schon mal den Fernseher an?«
Lea nickte und hörte, wie er sich endlich entfernte. Seufzend ließ sie die Luft aus den Lungen. Eins stand fest: Sie würde sich nie – nie – an solche Aussagen seinerseits gewöhnen können.
Dass du immer bezaubernd bist
, hallte ihr seine Stimme in den Ohren und sie wagte einen Blick über die Schulter. Da stand er, ihr Kuchenmann: Groß, gutaussehend und bedächtig die Sofakissen aufschüttelnd.
Als sie ins Wohnzimmer trat und die Spiele aus der Kommode holte, hielt Noel gerade unbeholfen seine Bettdecke empor.
»Willst du dich vielleicht zudecken?« Auf ihren fragenden Gesichtsausdruck hin fügte er schnell hinzu: »Ich habe im Fernsehen gesehen, dass Menschen das tun, um es sich gemütlich zu machen.«
»Ähm, ja … Das ist richtig«, bestätigte sie und ließ sich langsam auf dem Sofa nieder. »Wir können es uns ruhig gemütlich machen, denke ich.« Irgendwie klang ihre Zustimmung selbst mehr wie eine Frage.
Noel lächelte erleichtert, nickte, setzte sich auf seine Seite der Couch und breitete die Decke über ihr aus.
»Willst du denn nicht mit unter die … « Während ihr die Frage über die Lippen purzelte, dämmerte es ihr erst, dass sie dann
zusammen
unter
einer
Decke lägen, und ihre
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