Dezemberglut
aus seinem Verstand – wie hatte er nur darauf hereinfallen können? – aber er wusste, dass es bereits zu spät war.
„Sehr schön. Du wirst mir sagen, wo ich sie finde. Später. Ich liebe Frauen mit langem Haar. Hast du sie jemals daran aufgehängt?“
Charis. Damian spürte, wie er erstarrte. Dann wurde er kalt. Und ruhig. Unb e wegt, wie ein Standbild aus blass schimmerndem Marmor, während er seine Krä f te sammelte, sie aus dem tiefsten Kern seines Innern schöpfte, geboren aus Wi l len, Verzweiflung und gnadenlosem Zorn, er ließ sie anwachsen, bis goldene Lichtflecke vor seinen Augen tanzten und er fürchtete, ohnmächtig zu werden, bevor er sie endlich entfesselte und losließ. Sie breitete sie aus wie ein goldenes Flammenmeer, und er sah den Schrecken im Gesicht seines Feindes , bevor der getroffen wurde.
Damian atmete schwer, als er sich auf sein Schwert stützte und den Körper auf dem Boden beobachtete , der endlich begann, sich auf zulös e n . Kurz hatte er den Eindruck eines bleichen Gesichts mit hellblauen Augen, bevor die letzten Reste in den Boden sickerten . Damian nahm seine Klinge, streckte sie aus und sandte e i nen kurzen Gruß an den unbekannten Vampir, der irgendwann, aus irgendwe l chen Gründen, beschlossen hatte, sich trotz seiner Kraft und Stärke völlig zurüc k zuziehen, für so lange, bis er unvorsichtig geworden war und sich nicht länger hatte schützen können. Der sein zweites Leben auf die allerschlimmste Art und Weise verloren hatte, wie es überhaupt möglich war: Besessenheit.
Damian hatte ihn nicht retten können, aber er hatte ihn gerächt.
Er ging in die Hocke, ihm wurde schwarz vor Augen und krallte seine Finger in das nachtkalte Gras, bis der dunkle Nebel um ihn herum verschwand. Dann star r te er in den Himmel, sah die aufkommende Helligkeit im Osten und überlegte, wie viel Zeit ihm noch blieb.
Als seine Hände aufhörten zu zittern, telefonierte er mit Max.
***
Meine Stimmung war genauso düster wie der Himmel über Berlin. Ich ging immer wieder zum Fenster und hielt nach Damian Ausschau. Ich war unruhig und sorgte mich. Eigentlich hätte er schon längst hier sein sollen. Er nahm sein Handy nicht ab. Und es gab sicherere Beschäftigungen als die eines Vampirs und Dämonenj ä gers.
Er würde doch nicht …? Jetzt, im Moment?
Angst traf mich wie eine Faust, die in meinen Magen schlug. Dann hätte Dam i an mich doch bestimmt angerufen. Hätte er? Nun zweifelte ich. War das etwa so ein „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“-Ding? Eines, das bestimmt nicht vorher mit der Dame des Herzens abgesprochen wurde? Und was hätte ich getan, wenn er angerufen hätte? Gejammert? Ihn angefleht, dem Vampirdämon nicht gegenüberzutreten? Oder hätte ich schon mal den Kaffee aufgesetzt?
Ich griff nach dem Telefon, drückte erneut und vergeblich auf die Wahlwiede r holung. Schließlich nahm ich wieder meinen Platz am Fenster ein und rief die Zentrale an. „Kann ich bitte mit Sam sprechen?“
„Moment.“
Ich hörte, wie das Telefon weitergereicht wurde, ein Nein, ein kurzes Fluchen und Sams Frage, wo Steffen steckte, wenn man ihn brauchte.
Ich verstand. Sam wusste also Bescheid. Er wollte das Gespräch an Steffen we i terleiten. Weil Steffen ein Mensch war und mich belügen konnte? Aber aus i r gendeinem Grund schien Steffen nicht da zu sein, und dann hatte ich Sam tatsäc h lich am Apparat.
Es kam auf die richtigen Fragen an, kurz und präzise.
„Hallo Sam. Ich warte auf Damian. Weißt du, wo er steckt?“
Gegenfrage. „Hat er sich noch nicht bei dir gemeldet?“
„Nein. Wo ist er? Gibt es eine Spur von diesem Dämon?“
Sam zögerte.
„Hat er ihn gestellt?“, fragte ich alarmiert. „Er hat doch Verstärkung? Ihr könnt ihn orten. Über sein Handy.“
„Charis. Damian weiß, was er tut. Er hat sehr viel Erfahrung.“
D ie hatte der Kapitän der Titanic auch. „Sag mir, wo er ist. Ich fahre zu ihm.“
„Du? Glaubst du, dass Damian das will? Max und Andrej sind unterwegs.“
Die Angst, die sich etwas zurückgezogen hatte, wurde stärker . Jetzt, in diesem Moment, kämpfte Damian mit dem Vampirdämon. Allein. Max und Andrej waren unterwegs, um ihm zu helfen, aber würden sie rechtzeitig eintreffen?
Ich stand in der offenen Haustür , hatte das Telefon am Ohr und hörte Damians Wagen, der in meine Straße einbog. „Er kommt, Sam. Ich höre sein Auto.“
Damian. Tatsächlich. Ich fühlte mich ganz schwach vor Erleichterung. „Er
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