Dezemberglut
über .
„Heute könnte ich es.“ Ich spürte seine Erregung, seine Anspannung. Noch nie war er so viel Vampir gewesen wie jetzt. Hatte er si e so oft zurückgehalten? Diese dunkle Seite? Den Vampir? Der Vorhang hatte sich gelüftet – aber wie wäre es, wenn er seine Zurückhaltung ganz aufgeben würde? „Nein, das wirst du nicht. Alles ist in Ordnung.“ Ich ging auf ihn zu. „Komm ! “, wiederholte ich und sah ihm fest in die Augen.
Endlich folgte er mir.
Ich half Damian beim Ausziehen der Lederjacke und musterte die Verletzung. Es war nur eine, aber ein langer und tiefer Schnitt. Im Vergleich zu den Schus s wunden, mit denen ich ihn einmal gesehen hatte, war sie leicht, versuchte ich mich zu beruhigen. Das würde ich schon hinbekommen.
„Du warst in großer Gefahr“, meinte ich leise.
Sein Gesicht gab nichts preis, aber die lange Pause, nach der er mir antwortete, und in der er vermutlich etliche Antworten verwerfen musste, sagte mir genug.
„Es tut mir leid, dass du dir Sorgen machen musstest“, meinte er endlich.
Ich seufzte. Mehr war wohl nicht drin. Ein „ I ch tue es nie wieder“ würde ich nicht zu hören bekommen. Das hatte ich von seiner Ehrlichkeit. Andere Männer gehen mit einer Aktentasche aus dem Haus. Meiner hatte ein Schwert, mit dem er einem Dämon den Kopf abgeschlagen hatte. Ein ganz normaler Werktag eben.
„Zieh dein Shirt aus. Ich hole Verbandszeug.“
Als ich zurückkam, stand er im Bad, wusch sich Gesicht und Hände und mu s terte seine Verletzung im Spiegel.
„Ist das dein Blut?“ Die Wunde hatte sich noch nicht geschlossen.
„Ja“, meinte er gleichgültig. „Dämonenblut ist schwarz.“
„Schwarz?“
„Nicht unbedingt gesund.“
„Ist es gefährlich?“
„ Für Menschen. Und w enn es mit einer offenen Wunde in Berührung kommt. Aber das war nicht der Fall.“
Ich musterte die Verletzung, die sich quer über seine Brust zog, sah das Blut, das heraustrat und hob meine Hand, um die Wunde zu untersuchen.
Er trat einen Schritt zurück. „Da ist auch sein Blut. An mir.“
„Dann solltest du sofort unter die Dusche gehen.“ Vorsichtshalber verschränkte ich die Arme und tat einen Schritt zurück. „Allein.“
Er nickte. Ich konnte Damian ansehen, wie er sich beruhigte. Der Glanz seiner Augen ließ nach, sein Körper verlor die Anspannung. Dann gehorchte er tatsäc h lich.
Nachdem er geduscht hatte, fing ich an, seine Wunde zu desinfizieren.
Damian ließ es unbeteiligt über sich ergehen, ohne einmal das Gesicht zu ve r ziehen, sah mir zu und wirkte mehr verwundert als verletzt.
„Ist das, was ich hier tue, so überflüssig?“, fragte ich ärgerlich.
Plötzlich grinste er. „Eigentlich schon. Aber es hat durchaus seinen Reiz, mein Herz.“ Damian beugte sich vor und küsste mich heftig. Mir fiel der Verband aus der Hand. Er rollte über den Boden und wickelte sich auf.
Ich schimpfte laut, und Damian lachte. „Ich wusste gar nicht, dass du das kannst.“
„Habe ich dir nie erzählt, dass ich früher Ärztin werden wollte? Meine Puppen sahen aus wie Mumien. Einer hatte ich die langen blonden Haare abgeschnitten, wegen eines Kopfverbands.“
Er lächelte, aber dann wurde sein Gesicht ernst. „Warum hast du deine Meinung geändert?“
Ich zuckte die Achseln. „Ich hatte sogar ein Schülerpraktikum im Krankenhaus gemacht. S päter hatte ich mich umentschieden.“ Auf einmal war ich traurig. Ich glaubte inzwischen selbst, dass dies keine gute Idee gewesen war. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt für eine Berufsberatung durch einen Vampir, der von diesen Dingen sowieso keine Ahnung hatte. Jetzt ging es um den Vampir selbst. Um seine Verletzungen, die ihm aber ziemlich egal waren.
„Du solltest jetzt schlafen. Du bist verletzt und musst dich ausruhen.“
Er nickte langsam, obwohl sein Gesicht etwas ganz anderes sagte. „Vielleicht sollte ich das wirklich.“
Mein Blick rutschte tiefer. „Alles an dir sollte schlafen.“
„Vielleicht solltest du ihn ganz sanft in den Schlaf wiegen.“
„Und du glaubst, das hilft?“
„Probier es aus.“
Seinem ersten Griff konnte ich mit einem Quietschen entkommen, aber er hatte mir eine Falle gestellt. Die Finger seiner Linken ergriffen mein Handgelenk, und plötzlich lag ich in seinen Armen.
„Du brauchst Ruhe“, meinte ich atemlos.
„Ich brauche dich“, flüsterte er und hielt mich fest. „Nur dich.“
Damian weckte mich viel zu früh. „Musst du nicht … studieren?“
„Muss ich?
Weitere Kostenlose Bücher