Dezemberglut
gewinnen wollten, koste es, was es wolle, hatte es nie gemangelt. Später, als Vampir, als er Gefühle, Wünsche und Motive unmitte l bar wahrnehmen konnte, war es noch schwieriger geworden, sich einzulassen. Er hatte jede Form von Täuschung gespürt, und erst die Erfahrung hatte ihn gelehrt, Unaufrichtigkeit, die ihm so oft begegnete, zynisch hinzunehmen.
Charis war anders.
Damian wusste nicht, wann er für eine Frau jemals so gefühlt hatte, wie für sie. Aber Charis wusste nicht, wie er wirklich war, kannte nicht die hässliche Fratze seiner Seele, den Morast aus Schuld und Gewalt, in dem er jede Nacht aufs Neue zu versinken drohte .
Bisher hatte er es immer geschafft, alle, die ihm etwas bedeuteten, ins Unglück zu stürzen. Daran hatte sich auch in seinem zweiten Leben nichts geändert.
Sich selbst konnte er nicht mehr ändern.
Und Charis sollte so bleiben, wie sie war.
Unschuld. Ausgerechnet für ihn.
Sie verdiente etwas Besseres.
Max sah auf eine nicht vorhandene Uhr an seinem Handgelenk, erhob und streckte sich. „Mein Gast wacht auf, und eine Party zu dritt liegt nicht in meinem Interesse. Du musst los, wenn du es nach Hause schaffen willst, bevor du einen Sonnenbrand bekommst.“
Kapitel 21
„Charis? Daniel ist nicht da. Ein Sondereinsatz für die Nacht -P atrouille , irgendein Zusatzkonzert. Und Damian ist unterwegs.“ Max grinste. „Also werde ich heute dein Chauffeur sein. Wenn dir das recht ist.“
„Klar.“ Ich spürte, wie ich unter seinem aufmerksamen Blick rot wurde.
Im Parkhaus fehlte Damians Porsche, der übliche Platz war leer. Max steuerte auf einen dunklen Audi zu.
„Was ist mit Damian?“, wagte ich zu fragen. Ich war mir sicher, dass er mir aus dem Weg ging.
„Er musste nach Hamburg.“
Hamburg. Ich schluckte.
„Er hilft dort ab und zu aus. Dämonenangelegenheiten.“
Ich spürte Angst in mir aufst eigen . Angst um Damian.
Max schüttelte den Kopf. „Es gibt keinen Grund, dir Sorgen zu machen. Dam i an hat immer alles im Griff. Jedenfalls, was diese Art von Dämonen betrifft.“
Sollte ich das jetzt verstehen? Oder mich besser fühlen? „Woher weißt du, dass ich mir Sorgen mache?“, fragte ich leise. „Ist es so offensichtlich?“
Max betrachtete mich aufmerksam. „Du empfindest viel für Damian. Sehr viel.“
Ich senkte den Blick und spürte, wie mir noch mehr Blut in die Wangen schoss.
Max zögerte. Dann hob er die Schultern. „Ach, was soll´s . Lass uns noch nach oben gehen. In die Hotelbar. Wir sollten reden.“
Wir gingen zurück zum Aufzug und fuhren in das Aeternitas. Die Lobby war voll, das Hotel schien ausgebucht. Berlin zog immer viele Touristen an, da machte die Weihnachtswoche keine Ausnahme. Auf dem Weg zur Bar begegneten wir Gästen in Abendgarderobe ebenso wie in dicken Winterjacken. Max schlenderte mit einem entspannten Lächeln neben mir her und schenkte den vielen Blicken, die er anzog, keine Beachtung.
In der Bar fanden wir einen freien Tisch. Max machte dem Barkeeper ein Ze i chen, kurz darauf bekam er ein Bier und ich einen dreistöckigen Cocktail mit so viel Obstgarnitur, dass sie für ein Dessert ausgereicht hätte.
„Ich sage es dir einfach“, meinte Max. „Vampire können die Gefühle von Me n schen lesen.“
„Was?“
„Alle Vampire besitzen diese Fähigkeit ab der dritten Stufe des Arkanums. Aber das ist eines der wichtigsten Geheimnisse unserer Existenz, und üblicherweise erzählen wir es weder den Jungen noch den Vertrauten. Sie sind die größten Schwachstellen unserer Sicherheit, und je weniger sie wissen, desto weniger kö n nen sie unseren Feinden preisgeben , wenn es hart auf hart kommt.“
Das machte mich sprachlos. So lange, bis ich die Hälfte meines Cocktails durch einen Strohhalm eingesaugt hatte.
„Du kannst meine Gefühle lesen? Damian kann meine Gefühle lesen? Und j e der andere auch?“, fragte ich niedergeschmettert.
„Jeder Vampir. Nach seinem dritten Arkanum“, wiederholte Max geduldig.
Ich hatte mich Damian anvertraut. Ihm alle meine Geheimnisse erzählt. Auch, dass ich die Gefühle von Vampiren lesen konnte. Er hatte mir zugehört und ve r schwiegen, dass er meine ebenfalls kannte und dies für ihn so selbstverständlich war wie Atmen? Dann musste er auch von meinen Gefühlen für ihn wissen. Schon seit L angem. Weil er in meinen Gefühlen lesen konnte wie in einem off e nen Buch. Wie war das für ihn? Amüsierte es ihn? War es ihm gleichgültig? Oder lästig?
„Das hat Damian mir
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