DGB 01 - Aufstieg
den Aberglauben, den der bereits vom Imperator
geeinte Strang der Menschheit abgelegt hatte. Hier gab es das Versprechen eines
Nachlebens und einer ätherischen Welt. Hier gab es den unsinnigen Glauben an
das Unfassbare.
Karkasy wusste, dass es
einige, vielleicht sogar viele in der Bevölkerung des eingegliederten Imperiums
gab, die sich nach einer Rückkehr zu diesen Dingen sehnten. Gott war in jeder
Inkarnation und in jedem Pantheon längst gestorben, aber Menschen sehnten sich
dennoch nach dem Unbeschreiblichen.
Trotz Verbots und Verfolgung
sprossen neue Glaubensbekenntnisse und Religionen unter den Kulturen der
Vereinten Menschheit aus dem Boden und wuchsen und gediehen.
Am lebhaftesten von allen
war das Imperiale Credo, das darauf bestand, die Menschheit möge den Imperator
als göttliches Wesen adoptieren, als einen Gott-Imperator der Menschheit.
Die Vorstellung war
lächerlich und offiziell ketzerisch. Der Imperator hatte jegliche derartige
Anbetung immer energisch zurückgewiesen und sich gegen eine Vergöttlichung
gewehrt.
Manche behaupteten, es werde
erst nach seinem Tod geschehen, und da er biologisch unsterblich war, legte das
dem Streit einen Riegel vor. Welche Kräfte und Fähigkeiten er auch besaß und wie
erhaben er als größter und herrlichster Absolutherrscher seiner Rasse auch sein
mochte, er war trotzdem nur ein Mensch. Der Imperator erinnerte die Menschheit
gern daran, wann immer er konnte. Es war ein Edikt, das die Runde durch die
Bürokratie des expandierenden Imperiums machte. Der Imperator ist der
Imperator, und er ist groß und immerwährend.
Aber er ist kein Gott, und
er lehnt jede Anbetung ab.
Karkasy trank einen Schluck
und stellte sein leeres Schnapsglas schief auf den Rand des Lesepults. Lectio
Divinitatus, so wurde es genannt. Das Messbuch der im Untergrund tätigen
Bewegung, die sich insgeheim mühte, den Imperatorkult gegen seinen Willen zu
etablieren. Es hieß, dass sogar einige der aufrechten Mitglieder des Senats zu
Terra ihre Ziele unterstützten.
Der Imperator als Gott.
Karkasy unterdrückte ein Lachen.
Fünftausend Jahre Blut,
Krieg und Feuer, um alle Götter aus der Kultur auszulöschen, und nun verdrängt
sie der Mann, der dieses Ziel erreicht hat, als neue Gottheit.
»Wie dumm ist die Menschheit
eigentlich?«, lachte Karkasy. Er erfreute sich daran, wie seine Worte durch die
leere Kirche hallten.
»Wie verzweifelt und
unsicher? Brauchen wir ganz einfach eine Vorstellung von Gott, um uns
auszufüllen? Sind wir so beschaffen?«
Er verstummte und dachte
über das Argument nach, das er sich selbst vorgehalten hatte. Ein gutes
Argument, gut begründet. Er fragte sich, wo seine Flasche geblieben war.
Es war ein gutes
Argument. Vielleicht war das die ultimative Schwäche der Menschheit. Vielleicht
war es einer der grundlegenden Impulse der Menschheit, das Bedürfnis, an eine
andere, eine höhere Ordnung zu glauben. Vielleicht war der Glaube wie ein
Vakuum und sog Gutgläubigkeit auf, um hektisch die eigene Leere zu füllen.
Vielleicht gehörte es zum genetischen Charakter der Menschheit, nach
spirituellem Trost zu dürsten.
»Vielleicht sind wir
verflucht«, teilte Karkasy der leeren Kirche mit, »etwas zu ersehnen, das nicht
existiert. Es gibt keine Götter, keine Geister, keine Dämonen. Also erfinden
wir sie, um uns zu trösten.«
Die Kirche schien sein
Geschwafel kalt zu lassen. Er nahm sein leeres Glas und ging zu der Säule
zurück, wo er die Flasche zurückgelassen hatte. Noch einen Schluck.
Er verließ die Kirche und
trat ins blendende Sonnenlicht. Die Hitze war so intensiv, dass er noch einen
Schluck trinken musste.
Karkasy torkelte durch ein
paar Straßen, weg vom Tempel, und hörte plötzlich ein rauschendes Tosen. Er
entdeckte eine Gruppe imperiale Soldaten, bis zur Hüfte nackt, die mit einem
Flammenwerfer anti-imperiale Kritzeleien von einer Hauswand brannten.
Augenscheinlich hatten sie sich die Straße entlanggearbeitet, da alle
Hausmauern derartige Brandnarben aufwiesen.
»Tun Sie das nicht«, sagte
er.
Die Soldaten drehten sich um
und sahen ihn an, während ihr Werfer Flammen spie. Aus seiner Kleidung und
seinem Gehabe ging unmissverständlich hervor, dass er kein Einheimischer war.
»Tun Sie das nicht«,
wiederholte er.
»Befehle, mein Herr«, sagte
einer der Soldaten.
»Was machen Sie hier?«,
fragte ein
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