DGB 01 - Aufstieg
uns, das ist die offizielle
Version, aber es hat Schwierigkeiten gegeben. Aufwiegler. Loyalisten. Die gibt
es immer in einer eroberten Stadt, wie sauber ein Sieg auch war. Die
Nebenstraßen sind nicht sicher.«
»Wirklich nicht?«
»Sie sagen Loyalisten, aber
es ist einfach Unzufriedenheit, wenn Sie mich fragen. Diese Bastarde haben
alles verloren und sind nicht glücklich darüber.«
Karkasy nickte. »Danke für
den Tipp«, sagte er und kehrte in die Menge zurück.
Fünf Minuten später, während
Momus immer noch schwafelte und Karkasy der Verzweiflung nah war, wurde eine
ältliche Edelfrau in der Menge ohnmächtig, und es gab einen kleinen Aufruhr.
Die Soldaten eilten herbei, um die Situation zu bereinigen, und trugen sie in den
Schatten.
Karkasy machte sich die
Ablenkung zunutze und glitt in eine Seitenstraße, während die Soldaten ihm den
Rücken kehrten.
Er spazierte eine Weile über
leere Plätze und Straßen mit hohen Hausmauern, in denen sich der Schatten wie
Wasser sammelte. Die Hitze war immer noch gnadenlos, aber Bewegung machte sie
erträglicher. Hin und wieder wehte ein Luftzug durch eine Gasse, brachte aber
keine Erleichterung. Die meisten waren so voller Sand und Staub, dass Karkasy
ihnen den Rücken kehren und die Augen schließen musste, bis sie sich wieder
legten.
Die Straßen waren leer bis
auf ein paar Gestalten, die im Schatten eines Hauseingangs hockten oder halb
sichtbar hinter ruinierten Läden nach draußen spähten. Er fragte sich, ob er
Antwort bekommen würde, wenn er jemanden ansprach, war aber unwillig, es
auszuprobieren. Die Stille war durchdringend, und sie zu stören, wäre ihm
ebenso unangebracht erschienen wie die Störung einer Gedenkwache.
Er war allein, zum ersten
Mal seit über einem Jahr wirklich allein, und Herr seiner selbst. Es war
unglaublich befreiend. Er konnte gehen, wohin er wollte, und machte rasch
Gebrauch von diesem Privileg, indem er wahllos in Straßen einbog und ging,
wohin ihn seine Füße trugen. Eine Weile behielt er dabei den immer noch
reglosen Titan als Orientierungspunkt im Blick, aber er verschwand bald im
Schatten von Türmen und hohen Dächern, also fand er sich damit ab, sich zu
verlaufen. Auch sich zu verlaufen würde befreiend sein. Es gab immer noch die
hohen Türme des Palasts.
Wenn nötig, konnte er diesen
zu ihren Ursprüngen folgen.
Der Krieg hatte viele der
Stadtteile verheert, durch die er kam.
Gebäude waren zu weißen,
staubigen Schlackehaufen zusammengefallen oder bis auf die Grundmauern
zerstört. Andere waren ohne Dach, ausgebrannt, einsturzgefährdet oder einfach
nur noch Fassaden, deren Eingeweide ausgebombt worden waren und die dastanden
wie die Holzpaneele einer Bühnenkulisse.
Krater und Granattrichter
bedeckten das Pflaster oder die Oberflächen mit Metall überzogener Straßen und
bildeten manchmal seltsame Reihen und Muster, als sei ihre Anordnung
wohlüberlegt oder enthalte, hinter einer geheimen Verschlüsselung verborgen,
große Wahrheiten des Lebens und des Todes. In der trockenen, heißen Luft lag
ein Geruch wie nach Feuer, Blut oder Kot, und doch nach nichts davon. Ein
Mischgeruch, ein Nachgeruch. Nicht Feuer konnte man riechen, sondern
Verbranntes. Nicht Blut, sondern nur seine vertrockneten Überreste. Nicht Kot,
sondern die Folgeerscheinungen einer durch die Bombardierung zerstörten
Kanalisation.
In vielen Straßen waren
Habseligkeiten auf dem Pflaster gestapelt. Möbel, Kleiderbündel,
Küchenwerkzeuge. Eine Menge davon war beschädigt und offenbar aus Häuserruinen
geborgen worden. Andere Haufen sahen intakter aus, und Gegenstände waren
sorgfältiger in Truhen und Koffern eingepackt. Leute hatten die Absicht, die
Stadt zu verlassen, ging ihm auf. Sie hatten ihre Habseligkeiten zum
Abtransport bereit gemacht und suchten jetzt wahrscheinlich nach Transportmöglichkeiten
oder warteten auf die Genehmigung der Besatzungsbehörden zum Verlassen der
Stadt.
Praktisch jede Straße und
jeder Platz trug irgendeinen Wahlspruch oder etwas ähnliches auf den Mauern.
Alle waren von Hand geschrieben, in vielen verschiedenen Stilen und mit sehr
unterschiedlichen kalligrafischen Fähigkeiten. Manche waren mit Pech
aufgebracht, andere mit Farbe, Kreide oder Holzkohle - letztere Zeichen,
folgerte Karkasy, mithilfe von verbrannten Holzstäben aus den Ruinen. Manche
waren nicht zu entziffern oder unergründlich. Viele waren dreist und
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