DGB 04 - Kreuzer Eisenstein
Abnormes zu beobachten, dann hätte er eine schreiende, um
sich schlagende Bestie gesehen, die aus dem Kern der Implosion spähte — aber
dann erfolgte auch schon die Detonation.
Über die Grenzen der Dimensionen
hinweg erzeugte die verheerende Zerstörung der Warpmotoren ein Sphäre aus
tödlicher Strahlung, die das All wie eine sterbende Sonne erhellte. Im Empyrean
wurde daraus ein tosendes Kreischen, ein Blitz aus totem Blau, ein Anschwellen
purer Panik und eine Million andere Dinge. Im realen Raum kam es zu einer
brutalen Entladung, die die fliehende Eisenstein erfasste und sie mit
mörderischer Wucht durchs All schleuderte.
In dem tiefen Schatten des
Empyrean brachen die schroffen Ränder einer Schockwelle über die
übernatürlichen Sinne eines höheren Verstands herein. Der Strudel aus einströmenden
Informationen überlagerte alle anderen Gedankenbilder durch eine quälende,
schmerzhafte Überladung. Er traf auf die Stürme des Wahnsinns, die sich an dem
Verstand festklammerten, und riss sie einfach mit sich. Der Geist wurde durch den
Aufprall umhergewirbelt und geschleudert, suchte endlose Sekunden lang in der
heftigen Strömung nach Halt. Dann war das Leuchtfeuer vorbei und erloschen, und
zurück blieb nur das Echo seiner Entstehung. Wo eben noch Stürme und Nebel geherrscht
hatten, war nun alles frei und klar.
Der Verstand drehte sich um und
suchte die Wildnis des Immateriums ab, bis der Ursprung gefunden war. So wie
das Aufflackern eines nächtlichen Blitzes für einen Moment die in der
Dunkelheit liegende Landschaft erkennen lassen mochte, so ließ die Schockwelle
das geschmolzene Gelände des Warp sichtbar und gab ihm Festigkeit, wenn alle
anderen Mittel versagt hatten, um es zu verstehen. Plötzlich waren bis dahin
verborgene Pfade sichtbar.
Der Weg hatte sich völlig
abrupt geöffnet, und über die unglaubliche Entfernung hinweg brannte noch immer
das Epizentrum des Effekts.
Sorgfältig machte sich der
Verstand daran, eine Route zu berechnen, um dorthin zu gelangen. Jede
Überlegung war von purer Neugier geprägt.
Garro legte die Elektrofeder
zur Seite und überflog den Text auf der Glasscheibe der Datentafel. Er atmete
aus, und eine weiße Wolke stieg in der kalten, dünnen Luft des Observatoriums
auf.
Alles in diesem Raum war mit einer
dünnen Reifschicht überzogen, die stählernen Stützen und die geschwungenen
Fenster wiesen weiße Flecken auf. Durch die Schockwelle des Warp-Leuchtfeuers waren
etliche Systeme komplett ausgefallen, die schon bei der Flucht aus dem
Isstvan-System Schaden genommen hatten.
So standen jetzt auf mehreren
Decks der Fregatte keine Lebenserhaltungssysteme mehr zur Verfügung. Carya
hatte die Hauptbrücke geschlossen und die Kommandocrew in einen sekundären
Kontrollraum verlegt um das Oberdeck abzuschalten.
Stück für Stück verwandelte
sich die Eisenstein in ein tiefgekühltes Grab.
»Hauptmann.« Qruze bewegte sich
in sein Blickfeld und wurde vom matten Leuchten der Sterne angestrahlt, deren
Licht durch das mit Reif bedeckte Panzerglas fiel. »Sie haben mich
herbestellt?«
Garro zeigte ihm die
Datentafel. »Ich möchte, dass Sie das bezeugen.« Nathaniel zog den Handschuh
aus und drückte das Kommandosiegel an seinem linken Zeigefinger auf eine
Sensorfläche auf dem Gehäuse der Tafel. Das Gerät ließ einen leisen Gong
ertönen, erkannte das individuelle Muster des Rings und des Gencodes seines
Trägers. Er gab die Tafel dem Luna Wolf, der einen Moment innehielt, um zu
lesen, was darauf geschrieben stand.
»Eine Chronik?«
»Vielleicht wäre es
zutreffender, es als letzten Willen oder als Testament zu betrachten. Ich habe
alle wichtigen Ereignisse festgehalten, die sich vor unserer Flucht aus der
Flotte abgespielt hatten, ebenso alles, was seitdem geschehen ist. Falls wir
nicht lange genug leben, erfahren diejenigen, die uns finden, wenigstens
trotzdem die Wahrheit.«
Qruze schnaubte und drückte
sein Siegel ebenfalls auf die Tafel, um den Inhalt zu bestätigen. »Planung für
den Ernstfall? Erst der junge Sendek, und jetzt Sie? Dem Namen nach Death
Guard, in Wahrheit aber Pessimisten, wie?«
Garro nahm die Datentafel an
sich und verstaute sie in einem gepanzerten Koffer. »Ich möchte nur allen
Eventualitäten vorbeugen. Dieser Behälter ist gegen Explosionen und gegen das
Vakuum geschützt, und selbst wenn das Schiff zerstört wird, übersteht er das
unbeschadet.«
»Und Ihre großen Worte auf der
Brücke? Ihre Erklärungen gegenüber dem
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