DGB 06 - Gefallene Engel
veränderten Physiologie ihn immer noch in Erstaunen versetzen konnten.
Es waren stets die kleinen Dinge. Mal fiel ihm die Spanne seiner Hand auf, mal
war es ein Schub aus psionischer Energie, der durch seinen Körper schoss, oder
aber er hörte das verbesserte Blut durch seine Adern pulsieren — und prompt
wurde ihm bewusst, wie sehr er sich verändert hatte.
Früher war er ein Mensch
gewesen, ein Mann, geboren von einer Frau. Wie alle Menschen hatte er die physikalischen
Grenzen, die ihm sein Körper setzte, als selbstverständlich hingenommen. Seine
Muskeln waren schwach, seine Knochen spröde gewesen, und seine Sinne waren
nicht die besten. Er hatte erwartet, dass sein Leben fünfzig oder höchstens
sechzig Jahre dauern würde, wahrscheinlich nicht einmal so lange.
Auf Caliban lauerten viele
Gefahren, und schon eine Schnitt-wunde konnte sich entzünden und den Tod nach sich
ziehen. Er war nur ein Mensch gewesen, und als solcher drohte ihm durch tausend
unbedeutende Ereignisse das vorzeitige Ableben.
Durch das Imperium hatte sich
alles geändert. An dem Tag, als er als Ritter in den Orden eingeführt wurde, war
seine Wiedergeburt ein rein ritueller Prozess gewesen. Mit der Ankunft des
Imperiums wurde daraus etwas Buchstäbliches, Reales.
Man hatte aus ihm einen neuen
Mann gemacht. Sein Verstand und sein Körper waren verändert worden, verwandelt
in etwas, das mehr als bloß menschlich war. Durch die Anwendung der imperialen
Wissenschaft und das Wunder der Gensaat hatte man seinen Körper in eine
kriegerische Form gebracht.
Bruder Israfael hatte ihn in
das Scriptorium der Legion ein-bezogen, wo er Kenntnis erhielt über den Warp und
die Gefahren und die Macht, über die man verfügte, wenn man mit diesen Dingen
erfahrener war. Man sagte ihm, dass er als ein solcher Mann mit Fähigkeiten
gesegnet sei, die über den Verstand eines gewöhnlichen Menschen weit
hinausgingen. Und dann war da auch noch seine Pflicht, die Fähigkeiten in den
Dienst des Imperiums zu stellen.
Er hatte die ersten Schritte auf
diesem Weg unternommen, der zu einer unfassbaren Macht führen konnte, doch es
waren alles nur winzige Vorstöße, von denen keiner auch nur annähernd so
erstaunlich war wie seine Begegnung mit der Bestie von Endriago.
Sosehr er sich auch mit seinen
neu entdeckten Fähigkeiten von allen anderen in der Legion abhob, war er dennoch
in erster Linie ein Krieger, und er würde sich auf dem Schlachtfeld einen Namen
machen.
Er war nicht bloß ein
gewöhnlicher Mensch, und er war auch nicht bloß ein außergewöhnlicher Krieger.
Das Imperium hatte viel mehr
aus ihm gemacht.
Das Imperium hatte ihn für den
Krieg geschaffen. Er war ein Gott des Gefechts geworden, ein Mitglied der Astartes.
Er war ein Space Marine, ein
Dark Angel.
Er diente im Großen Kreuzzug.
Er wusste, dass er nur ein
kleines Rädchen in einem riesigen Uhrwerk war, ein Statist im großen Drama der Menschheits-geschichte,
aber das störte ihn nicht, denn das Imperium selbst war ein nobles Unterfangen
— es war der Traum von einem besseren Universum, und er war ein Teil des
Militärs, das diesen Traum Wirklichkeit werden ließ.
Es war eine optimistische Zeit,
eine Zeit der großen Ideale, eine Zeit der Entdeckungen. Und er war ein Teil dieser
Zeit.
Die ersten Tage waren
wunderbar.
Später würde er an sie
zurückdenken und sie als die glücklichsten Tage seines Lebens bezeichnen. Sein
Dasein hatte einen Sinn, er hatte eine Mission. Er war ein Instrument, das den
Willen des Imperators ausführte, er machte sich dafür bereit, in den Krieg zu
ziehen, damit es der Menschheit besser erging.
Er war mit diesen Bemühungen
nicht allein, er musste sie nicht einzig aus eigener Kraft bewältigen. Während seiner
Verwandlung vom Menschen zum Übermenschen war Nemiel an seiner Seite gewesen.
Die Geschichtenerzähler, die ausgewählt worden waren, um sie zu begleiten,
sprachen von Bestimmung, und Zahariel konnte ihnen nur zustimmen. Denn immerhin
kam es ihm so vor, als sei es sein und Nemiels Schicksal, das Leben Seite an
Seite zu meistern.
Von frühester Kindheit an waren
ihrer beider Leben eng miteinander verbunden gewesen, sie waren Brüder, noch
bevor aus ihnen Engel wurden. Wenn es überhaupt möglich war, dann hatte ihre
Verwandlung in Astartes sie nur noch enger zusammen-geschweißt. Manchmal schien
es, als sei eine in sich geschlossene Seele durch einen Unglücksfall in zwei
eigenständige übertragen und dadurch gespalten worden.
Er und Nemiel
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