DGB 06 - Gefallene Engel
zitieren.«
»Richtig, aber manchmal glaube
ich, er hält uns alle für Attias und denkt, wir würden jedes noch so
unbedeutende Zitat mitschrei-ben.«
»Ach, solange wir bei den
Kampftechniken Fortschritte machen, ist es mir egal, wenn ich hin und wieder
das Gleiche zu hören bekomme«, sagte Nemiel.
»Wahrscheinlich hast du Recht«,
meinte Zahariel. »Wenn wir das nächste Mal einer Bestie begegnen, werden wir nicht
so unvor-bereitet sein.«
Betretenes Schweigen machte
sich breit, und Zahariel verfluchte sich innerlich dafür, dass er auf die
Bestie zu sprechen gekommen war. Damit wurde Nemiel nur daran erinnert, wie
sein Cousin dafür gelobt worden war, sich lange genug schützend vor seine
Kameraden gestellt zu haben, bis Bruder Amadis die Kreatur töten konnte. Das
Einzige, was für Nemiel dabei herausgesprungen war, waren einige Wochen
Bettruhe in der Krankenstation.
»Glaubst du, die Kreatur besaß
Intelligenz?«, fragte Nemiel plötzlich.
»Welche Kreatur?«, erwiderte
Zahariel, obwohl er wusste, wovon sein Cousin redete.
»Die geflügelte Bestie, die uns
damals im Wald angegriffen hat.«
»Intelligenz?«, wiederholte
Zahariel. »Ich glaube, das hängt davon ab, wie du den Begriff definierst. Dass die
Bestie eine gewisse Intelligenz besaß, davon bin ich überzeugt. Aber wahre
Intelligenz? Bruder Amadis sagte einmal, wahre Intelligenz bemesse sich danach,
ob ein Wesen in der Lage sei, für die Zukunft zu planen, und ob es ein Problem
mit Verstand löse.«
»Und die Bestie?«, hakte Nemiel
nach. »Würdest du sagen, sie war dazu in der Lage?«
»Ich glaube nicht, dass ich
dazu was sagen kann. Meiner Meinung nach ist es für den menschlichen Verstand zu
schwierig, einen nichtmenschlichen Verstand zu begreifen. Ich kann dir nur
sagen, was für ein Gefühl es war, gegen das Ding zu kämpfen.«
»Und was für ein Gefühl war
es?«
»Als wäre die Bestie eine
Spinne und ich eine Fliege gewesen.«
Zahariel zog den ölgetränkten
Lappen durch den Lauf seiner Pistole, um ihn von den Rückständen der
zahlreichen abgefeuerten Schüsse zu reinigen. Die Waffe hatte einen Linksdrall
entwickelt, wodurch er bei den Schießübungen schlechter abschnitt als die
anderen Anwärter.
Als er auf diesen Mangel
hinwies, erwiderte der Waffenmeister lediglich, er solle den Lauf gründlich
säubern, bevor er es weiter versuchte. Die unterschwellige Beleidigung in den
Worten hatte Zahariel zutiefst verärgert, aber er war noch immer nur Anwärter
und besaß kein Recht, einem vollwertigen Ritter Widerworte zu geben. Stattdessen
bedankte er sich höflich, kehrte in den Schlafsaal zurück und holte sein
Reinigungszeug hervor, um jeden be-weglichen Teil seiner Waffe mit äußerster
Gründlichkeit zu säubern.
Natürlich erwartete er nicht,
dass es irgendetwas bewirken würde. Vielmehr vermutete er den Grund für die
Unzulänglichkeit im Alter der Waffe, nicht in den Rückständen im Lauf.
Immerhin war er bei seinen
Waffen mindestens so auf Reinlich-keit bedacht wie bei seiner Rüstung.
»Der Waffenmeister hat dir also
gesagt, du sollst deine Pistole gründlicher reinigen?«, fragte Nemiel, während Zahariel
auf dem Feldbett saß und wütend ein anderes Bauteil hochhob und es mit dem Tuch
bearbeitete.
»Als ob ich das nicht längst
machen würde!«, gab er zurück.
»Man kann nie wissen«, meinte
Nemiel.
»Vielleicht nützt es ja was.«
»Diese Waffe ist sauberer als
alles andere, was ich besitze, und das weißt du.«
»Stimmt, aber die Waffenmeister
sollten eigentlich wissen, wovon sie reden.«
»Stellst du dich auf ihre
Seite?«
»Auf ihre Seite?«, wiederholte
Nemiel.
»Seit wann hat das etwas damit
zu tun?«
»Vergiss es«, fuhr Zahariel ihn
an.
»Nein, nein. Jetzt sag schon,
wie du das meinst.«
Zahariel seufzte und legte
seine Sachen zur Seite.
»Ich meinte damit, dass du das
Ganze zu genießen scheinst.«
»Was scheine ich zu genießen?«
»Dass du mich bei den Schießübungen
geschlagen hast.«
»Glaubst du das wirklich? Dass
ich auf eine Fehlfunktion deiner Waffe angewiesen bin, um dich zu besiegen?«
»So habe ich das nicht gemeint.
Was ich damit sagen wollte ...«
»Ich habe schon verstanden«,
unterbrach ihn sein Cousin, erhob sich vom Feldbett und ging den zentralen Korridor
durch den Schlafsaal entlang. »Du glaubst, du bist besser als ich. Das ist mir
jetzt endgültig klar.«
»Nein, das stimmt überhaupt
nicht!«, protestierte Zahariel, aber Nemiel wandte sich mit verletztem Stolz ab
und
Weitere Kostenlose Bücher