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DGB 06 - Gefallene Engel

DGB 06 - Gefallene Engel

Titel: DGB 06 - Gefallene Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mitchel Scanlon
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und
stieß ein durchdringendes Kriegsgeheul aus.
    Eine lange, schwere Klinge
schnitt sich in das Maul der Bestie, die Spitze bohrte sich in den Kiefer und
fraß sich weiter bis in den Schädel hinein.
    Abrupt blieb das Schwert
stecken, sein Träger nahm die Hand vom Heft und ritt ein Stück weiter, ehe er
sein Pferd geschickt kehrtmachen ließ, gerade als die Kreatur zusammenbrach und
direkt vor Zahariel auf dem Boden aufschlug.
    Der Reiter kehrte zurück, zog
eine prachtvolle Rotationspistole und zielte auf eine Stelle zwischen den Augen
des Monsters. Dann sah Zahariel, wie der Hahn gespannt wurde, und als das
explosive Geschoss im Schädelinneren detonierte, zuckte er zusammen.
    Zähflüssige Substanzen traten
aus dem Schädel aus, der un-bändige Hunger in den schwarzen Augen des Dings war
endlich erloschen. Ein letzter, stinkender Atemzug verließ das Maul des
Monsters und veranlasste Zahariel, sich angewidert abzuwenden.
    Er sah zu seinem Retter hoch,
als der die Pistole wegsteckte. Der Mann trug eine dunkle Rüstung und einen weißen
Chorrock mit Kapuze. In Brusthöhe fand sich eine Stickerei, die das Symbol des
Ordens zeigte — das nach unten weisende Schwert.
    »Du kannst von Glück reden,
dass du noch lebst, Junge«, sagte der Ritter, und Zahariel erkannte die Stimme sofort.
    »Bruder Amadis«, erwiderte er.
»Danke, Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Aye«, bestätigte Amadis. »Und
so wie es aussieht, hast du deinen Kameraden das Leben gerettet, Zahariel.«
    »Ich ... ich habe nur meinen
Trupp beschützt ...«, gab Zahariel zurück, den nun auch die letzten Kräfte
verließen.
    Amadis stieg aus dem Sattel und
bekam Zahariel zu fassen, bevor der ins Gras sinken konnte. »Ruh dich aus«,
riet ihm Amadis.
    »Nein«, flüsterte er kraftlos.
    »Ich muss meine Leute nach
Hause bringen.«
    »Das werde ich für dich
erledigen, Junge. Für heute hast du genug getan.«
    »Du hattest Glück«, sollte
Nemiel später zu ihm sagen. »Aber auf das Glück kann man sich nicht verlassen.
Es ist eine endliche Quelle, die eines Tages ein für alle Mal versiegt.«
    Auch Jahre danach, wenn
Zahariel die Geschichte von ihrer Auseinandersetzung mit der geflügelten
Kreatur zum Besten gab, fügte sein Cousin diese Warnung an. Er sagte es stets
so, dass ihre Brüder davon nichts mitbekamen, mal in der Waffenkammer, mal im
Trainingskäfig, als wollte er ihn nicht vor den anderen bloß-stellen. Es
schien, als sei es ihm unmöglich, das Thema auf sich beruhen zu lassen.
    Überhaupt war durch diesen
Zwischenfall mit Nemiel irgend-etwas geschehen, das unterschwellig Verärgerung
und Gereiztheit ausgelöst hatte.
    Man sah es ihm nie an, und es
floss auch nie in seinen Tonfall mit ein. Dennoch kam es Zahariel hin und
wieder vor, als fühle sich Nemiel veranlasst, ständig darauf hinzuweisen, dass
alle späteren Erfolge seines Cousins und all sein Ruhm auf einer Lüge beruhten.
    Zahariel fand dieses Verhalten
eigenartig, doch er sprach das Thema nie an, sondern tat einfach das, was Nemiel
nicht konnte: Er ließ die Sache auf sich beruhen. Nie stellte er Nemiels Worte
infrage, sondern hörte sie sich an, ging über die versteckte Verbitterung
hinweg und betrachtete sie als wohlmeinend. Alles andere hätte nur ihre
Freundschaft in Gefahr gebracht.
    »Du hattest nur Glück«, sollte
Nemiel sagen. »Ohne dein Glück und ohne Bruder Amadis hätte die Bestie uns alle
getötet.«
    Zahariel konnte dem nicht
widersprechen.
     
    Eine Woche darauf wurde
Zahariel von den anderen Anwärtern im Trainingssaal aufgefordert, die
Geschichte zu erzählen. Jedes Mal, wenn er schilderte, wie er vor der Bestie
gestanden hatte, erschien ihm die Begebenheit viel aufregender, als sie es in
Wirklichkeit gewesen war.
    Für seine Zuhörer klang es nach
einer Geschichte von hohen Idealen und großen Abenteuern. Es war nicht so, dass
er in irgendeinem Punkt gelogen hätte. Aber irgendwann stellte er fest, dass
dieselbe Begebenheit durch die ständige Wiederholung allmählich
glattgeschliffen wurde. Schließlich klang die Geschichte wie ein Märchen oder
eine Fabel.
    Während des hitzigen Gefechts
war es ein Kampf auf Leben und Tod gewesen, ein mühsam errungener Sieg, der
Blut, Schweiß und Tränen gekostet hatte. Es war denkbar knapp verlaufen, und
bis kurz vor Ende hatte Zahariel geglaubt, die geflügelte Bestie würde sie alle
töten. Er war der Überzeugung gewesen, dass der letzte Anblick seines Lebens
das aufgerissene Maul der Kreatur sein würde, unmittelbar

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