DGB 06 - Gefallene Engel
schwarze Schlitze. Die Klingenmähne pulsierte in
wechselhaften Bewegungen, jede Klinge zerschnitt todbringend die Luft.
Zahariel ging mit
Seitenschritten weiter, um den Abstand zu der Bestie zu wahren, die weiter ihr
kehliges Gebrüll ausstieß. Der Speichel, der aus dem aufgerissenen Maul
tropfte, sprach für den erschreckenden Hunger, so dass sich Zahariel zwingen
musste, sich nicht vorzustellen, wie diese Reißzähne ihn zerfetzen würden.
Auch wenn die Kreatur
widernatürlich war, ein Monster aus seinem schlimmsten Alptraum, hatte er
dennoch den Eindruck, dass sie ihn mit einer Art finsterer Belustigung
musterte. Er unterdrückte die aufkommende Angst und musste daran denken, wie er
vor Jahren gegen die geflügelte Bestie gekämpft hatte, bei der er sich
vorgekommen war wie eine Fliege, die mit einer Spinne konfrontiert wird. Dieses
Monster hier ließ eine ganz ähnliche bösartige Freude an der Jagd erkennen, als
sei er nur ein Stück Fleisch, an dessen Anblick man sich eine Weile labte, ehe
man es verschlang.
Sein Training hatte ihn
gelehrt, dass er den Löwen auf Abstand halten und seine Pistole benutzen
musste, um etwas zu erreichen.
Aber sein ritterlicher Kodex
forderte ihn auf, die Bestie anzu-greifen und ihr im ruhmreichen Nahkampf zu
begegnen.
Er hielt die Pistole auf den
Löwen gerichtet, zog sein Schwert und überlegte, welche Alternativen er hatte. Mit
dem Magazin, das er soeben eingesetzt hatte, blieben ihm noch zwei weitere als
Reserve.
In einer der Satteltaschen fand
sich weitere Munition, doch die war für ihn im Augenblick in unerreichbarer
Ferne. Wenn er nicht in den Nahkampf stürmte, standen ihm vierundzwanzig Schuss
zur Verfügung, um den Löwen zu töten.
Unter normalen Umständen hätten
vierundzwanzig Schuss gereicht, um jeden Gegner zu töten, aber die großen
Bestien von Caliban waren chimärenhafte Monster, die die schlimmsten
Eigenschaften verschiedener Tierarten in sich vereinten.
Eine klebrige rote Flüssigkeit
war vorn am Rumpf des Löwen zu erkennen, wo die Geschosse ihn getroffen hatten,
doch Zahariel wusste nicht, ob es sich dabei um Blut oder um irgendein
gefährliches Sekret handelte. Schließlich sah es so aus, als seien die Stellen,
an denen die Geschosse Stücke aus dem Panzer gerissen hatten, längst wieder
zugewachsen.
Ohne erkennbare Vorwarnung
stürmte der Löwe auf einmal quer über die Lichtung auf ihn zu. Zahariel tauchte
zur Seite weg und holte gleichzeitig mit dem Schwert aus, um die Kreatur abzu-wehren.
Surrende Sägezähne fraßen sich in deren Haut, und Zahariel wurde mit Blut
vollgespritzt.
Der Löwe brüllte und verdrehte
sich mitten im Sprung, wobei die Hinterpfoten Zahariel trafen und ihn zu Boden
drückten. Kaum lag er, rollte er sich zur Seite und hielt dabei das Schwert
hoch, um zu verhindern, dass er sich mit seiner eigenen Klinge in Stücke riss.
Die Stacheln des Löwen richteten
sich auf, seine gewaltigen Pranken wühlten dort den Boden auf, wo er gelandet war.
Zahariel stach mit der Klinge
nach ihm, die surrenden Zähne schnitten sich in die Mähne des Tiers.
Dickflüssige Substanzen schossen aus den abgetrennten Stacheln und besudelten
seine Rüstung mit zischendem, ätzendem Blut.
Der Löwe wirbelte herum und
schnappte nach ihm, aber Zahariel brachte sich noch eben in Sicherheit, bevor die
monströsen Kiefer nur wenige Zentimeter von ihm entfernt zusammenschlugen.
Gleichzeitig feuerte er und jagte
mehrere Kugeln in den Leib der Bestie, doch die ließ auch jetzt nicht erkennen,
dass ihr die Treffer irgendwelche Schmerzen bereiteten.
Zahariel war schweißgebadet und
spürte Verspannungen in Schultern und Waden. Zwar war seine Rüstung mit
Mechanismen versehen, die für Kühlung sorgten und seine Bewegungen
unterstützten, doch sie waren nicht für derartige Anstrengungen ausgelegt.
Er bewegte sich auf Messers
Schneide, und die nächsten Sekunden würden entscheiden, ob er noch einen weiteren
Sonnenaufgang erleben sollte oder nicht.
In weitem Bogen holte er mit
dem Schwert aus, um sich eine kurze Atempause vor der rasenden Wut des Löwen zu
verschaffen.
Dann machte er abrupt einen
Satz nach vorn, rollte sich zur Seite, und als er wieder auf den Füßen stand,
feuerte er erneut mit Amadis' Pistole auf den Löwen, auf den er gleichzeitig
schreiend zurannte.
Für einen winzigen Moment
schien der Löwe überrascht, riss das Maul auf und brüllte zornig. Dann stürmte
er auf Zahariel los.
Die unmittelbare Nähe der
Bestie ließ ihm die
Weitere Kostenlose Bücher